Sonntag, 1. Mai 2011

Neues Leben für alte Kleider im April - und ein Ex-(Braun)hemd

Willkommen im Mai zu einer neuen Ideensammlung: Aufhübschen, Umschneidern, Dekonstruieren, Wieder- und Andersverwerten. Man merkt, es wird wärmer, und die verwendeten Materialien werden dünner. Und apropos Materialien: Wenn ich die "Neues Leben"-Posts bis jetzt rekapituliere, dann waren Pullover bisher das heimliche Thema - in jedem Pullovermonstrum steckt anscheinend eine hübsche kleine Strickjacke, die durch Nähkunst hervorgelockt werden kann. Beweis im April: Poet/Seamstress Stories' feiner schwarzer Riesenpullover war in Wirklichkeit eine verzauberte Strickjacke mit gerüschter Verschlussleiste.

Das heimliche Thema im April hingegen waren Kissenbezüge:

Teresa/Rose und Lavendel hat nicht nur eine weitere Stoffgeschichte aus ihrer Nähkarriere parat, das alte Dirndl für ihre Tochter ist inzwischen umgearbeitet, und aus einem Siebziger-Jahre-Kissenbezug wurde eine Einkaufstasche, deren Muster heute wieder ganz modern wirkt.

Sanne/Sannenäht trieb einen ziemlich schrägen Souvenir-Kissenbezug auf und sah ebenfalls eine Tasche darin - mit einem Gürtel als Träger. In Münster scheint es überhaupt beneidenswerte Trödelläden und -Märkte zu geben, denn Sanne findet oft interessante alte Kleider und ändert sie für sich um - zurückblättern im Blog lohnt sich.

Frau Siebensachen entdeckt in Bett- und Kissenbezügen Röcke: Schon im letzten Juni und jetzt wieder - nur die Nähzauberei braucht noch etwas Zeit.

Karina/Was Kawi so macht war auf der gleichen Spur: ein 70er-Jahre-Kissenbezug vom Flohmarkt wurde zu einem Sommerrock und die Lebensdauer von Kindersachen lässt sich mit einfachen Maßnahmen verlängern.

Heike/Schneiderprospekt erweckte eine Puppenwiege zu neuem Leben - ob der Stoff auch schon ein anderes Leben vor sich hatte, weiß ich nicht, aber niedlich ist es auf jeden Fall.

Die Tagpflückerin nähte aus Papas Jeans und Mamas Karobluse eine Kinderhose, die überhaupt nicht gestückelt aussieht.

Danyeelas Frühlingsschal mit Hemdkragen ist zwar streng genommen kein Refashionprojekt - sie nähte den Kragen neu nach einem Blusenschnittmuster - aber die Idee lässt sich natürlich genauso gut mit einem alten Oberhemd verwirklichen, sofern der Kragen noch heil ist. Sehenswert und voller Refashion-Ideen auch die Webseite von artpoint, von denen die Idee ursprünglich stammt. Und, weil es thamtisch gerade so gut passt: Katja/Ofdreamsandseams zeigte am Mittwoch ihr me-made-Outfit und zwar einen Krawattenrock.

Suschnas Kimonoseidenschal stellt nun auch gleich eine wunderbare Verbindung und Überleitung her: er lässt sich bestimmt auch als Frühlingsschal tragen - und andererseits dient er der Pazifierung eines Mantels. Was Blumen doch bewirken können!

(Das nächste Mal Neues Leben für alte Kleider am 5. Juni.)

Mein Refashion-Projekt hatte in gewisser Weise ebenfalls mit Resozialisierung zu tun, wobei Refashion an sich ja sowieso als eine Art Resozialisierung für Kleider betrachtet werden kann: nur dass es hier ausschließlich um Äußerlichkeiten geht, nicht um das Bewusstsein.

Problematisches Hemd
Ausgangspunkt war ein kaum getragenes Hemd, dessen Farbe mit „milchkaffeebraun“ noch am freundlichsten beschrieben ist. Ein Geschenk der Oma des Liebsten, die – wie wohl die meisten Omas – ihrem Enkel immer noch gerne Sachen mitbringt, von denen sie denkt, dass sie nützlich seien. Mal sind es Frühstücksbrettchen, mal sind es eben Hemden. Und was soll ein lieber Enkel antworten, wenn die Oma, damals schon weit über 70 und sehr schlecht zu Fuß, ihn freudestrahlend - „Ich hab‘ dir ein paar schöne Hemden mitgebracht!“ - mit einem braunen Hemd in Größe XL überrascht? "Kannst du das umtauschen?" sicher nicht. Und das Größenargument zieht nicht, weil Oma immer etwas größer kauft, weil ja die Sachen in der ersten Wäsche „bestimmt noch eingehen“.


Das Hemd war also zu groß, es war braun, es war aus einer Polyester-Viskose-Mischung – Eigenschaften, die es zehn Jahre lang zu einem Leben in der hintersten Ecke des Kleiderschrankes verdammten. Meine erste Idee, eine Bluse mit türkisblauen Akzenten, verwarf ich schon beim Auftrennen: dem ziemlich dicken und dabei völlig knitterfreien Stoff war vorherbestimmt, ein Rock zu werden. Und als mir ein beigegrauer Baumwoll-Viskose-Satin in die Hände fiel, den ich letztes Jahr ohne besondere Absicht auf dem Markt gekauft hatte, glaubte ich an die Vorsehung: Gleiche Farbe, nur einen Ton heller, die beiden waren füreinander bestimmt. Und für den Schnitt des „Skyline Skirt“ aus twinkle sews, der zwei aufeinander abgestimmte Rockstoffe verlangt – Eva/Atelier Schmuckstück hatte ihn letztes Jahr in Schwarz mit Karo genäht.


Im Prinzip handelt es sich um einen ausgestellten Acht-Bahnen-Rock, wobei die Bahnen auf Hüfthöhe diagonal geteilt sind. Neben den zwei Teilen für die Rockbahnen gibt es noch ein Schnitteil für den Futterrock, das gleiche für Vorder- und Rückenteil – that‘s it. Diesmal nur 18 Seiten auszudrucken und zusammenzukleben, kein Vergleich zum Annie-Hall-Rock aus dem selben Buch. Fast wäre ich des Lobes voll, wären nicht die Rockteile im Ausdruck so angelegt, dass eines mit der Schrift nach oben und das andere mit der Schrift nach unten auf den Stoff gelegt werden muss, damit es später zusammenpasst – siehe Suchbild. Eine böse Falle, in die ich - natürlich - getappt bin. Glücklicherweise sieht der Hemdenstoff auf Vorder- und Rückseite gleich aus.

Suchbild: was stimmt hier nicht?
Von dieser Hürde abgesehen ist der Rock aber leicht zu nähen und durch die vielen Nähte leicht anzupassen, die obere Kante wird einfach mit dem Futter verstürzt. Und als Rock sieht das undefinierbare Milchkaffeebraugrau richtig gut aus – vor allem gibt es wohl keine Farbe, die nicht dazu passen würde.

Hier noch die harten Fakten zum Rock

Schnitt: Skyline Skirt aus twinkle sews – Vorsicht, einer der Rockteile muss beim Zuschnitt spiegelverkehrt aufgelegt werden!
Größe 8, Hüftweite ca. 98cm, Länge ca. 58cm
Material: Oberer Teil Mischung aus Polyester/Viskose, (Hemd) unterer Teil Satin, wahrscheinlich Baumwolle/Viskose, Viskosefutter, in der oberen Rockkante ein mitgefasstes Band zur Verstärkung

19 Kommentare:

  1. ich bin schwer beeindruckt! ein wundervoller Rock!!

    Liebe Grüße
    anja

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  2. Der Rock ist einfach klasse! Ich bin beeindruckt, was du aus dem scheußlichen (entschuldige bitte) alten Teil gemacht hast! Respekt!

    LG,
    Verena*allroundtalent

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  3. So schlicht gefällt mir der Rock auch sehr gut !! Es gibt immer wieder neue Variationsmöglichkeiten und er ist eine gute Resteverwertung

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  4. Der sieht super aus! Noch irgendwelche Ideen, was man aus hässlichen Teelichthaltern machen kann? Warum bekommt man davon eigentlich so viele? "Ah, mir fälltnix ein, aber Teelichtdings geht immer " oder wie? Manchmal wäre mir da ein Apfel oder eine Dose Tomaten deutlich lieber! Oder Schokolade. Überhaupt: Lebensmittel gehen immer! Nieder mit den Teelichthaltern!
    Liebe Grüße,
    Juli

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  5. Dass aus einem ungeliebten Hemd in Mischfaser so was Tolles wie dieser Rock werden kann - einmalig!
    Ich hätte mal wieder ein Kinderstück zu bieten: http://tagpflueckerin.blogspot.com/2011/04/papas-jeans-mamas-lieblingsbluse.html.

    lg Tagpflückerin

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  6. Zur Puppenwiege: der Stoff nicht aber die Füllung von Kissen und Decke sind noch die Alten...gruß Heike
    und wie immer wieder wudnerschöne Achen dabei!! schönes WE wünscht HEike

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  7. wow, du zauberst echt aus den unscheinbarsten Dingen so wunderschöne Sachen wie diesen Rock! Das hätte sich die Oma sicher nicht träumen lassen, ist aber verwertungstechnisch sicher in ihrem Sinne..
    Schönen Sonntag noch,
    Claudia

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  8. Der Rock ist wunderschön geworden! Toll, wie du dem ollen Hemd zu neuen Ehren verholfen hast. Die Oma würde sich darüber bestimmt auch freuen.
    besonders gefällt mir auch die Kombination der beiden unterschiedlichen Stoff-Texturen.

    Dir auch diesmal wieder vielen Dank für die tolle Präsentation der vielen inspirierenden Beispiele deiner tollen Aktion.
    LG
    Wiebke

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  9. @Wiebke, genau - ein Satinrock wäre mir zu glänzend, aber mit dem matten braunen Stoff ist das Teil alltagstauglich.
    @Juli - das wüßte ich auch gerne. Ich bin überhaupt keine Kerzenanmacherin. Essen als Geschenk finde ich hingegen immer gut und verschenke auch oft Eßbares - das muss sich der Beschenkte nicht hinstellen. Falls die Teelichthalter aus Glas sind, könntest du Eßbares (Pralinen, Oliven) reintun und sie so weiterverschenken.

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  10. Der Rock ist klasse und die Idee sowieso. Diese Aktion hat den großen Nachteil das ich noch viel mehr Dinge mit anderen Augen sehe, die ich dann alle aufbewahren muß...
    Übrigens bin ich jetzt auch noch dabei - besser spät als nie ;-)
    LG Karina

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  11. Der sieht ja toll aus! Schön, wie sich das Muster aus dem Schnitt ergibt. Vielleicht muss ich das irgendwann nachmachen :)

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  12. Ich liebe "Neues Leben fuer alte Kleider" in's Leben gerufen hast und bin immer ganz gespannt. Der Rock ist toll und so clever. Ich wuerde gern mal sehen, was fuer ein Oberteil und Schuhe du dazu kombinierst. Primaerfarben oder Ton in Ton?

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  13. Das ist ein prima Rock geworden! Und danke für den Hinweis auf den Schnitt - der eignet sich ja vorzüglich Stoff- und Materialmix.
    LG
    Siebensachen

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  14. Dein Rock ist fantastisch geworden! Ein sehr wirkungsvoller Schnitt. Und insgesamt sind tolle Inspirationen zusammengekommen. Mein nächstes Projekt, diesmal wirklich "aus alt mach anders", ist schon fertig und in Kürze auf meiner Homepage.

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  15. @annakata: für mich bloß nicht Ton in Ton - dann sehe ich aus wie eine blasse, kränkliche Leberwurst. Wahrscheinlich mit schwarz oder mit blau. Ich werde mal sehen, dass ich noch ein angezogen-Bild nachliefere.

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  16. Ich finde den Rock genial - der Schnitt ist toll und keiner wird merken, dass der Stoff früher mal ein Hemd war (auch nicht die Oma, oder??).
    Mir gefällt die Ton-in-Ton Variante sehr, sieht edel & schick aus.
    Liebe Grüße, Bettina

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  17. Der Rock ist ja wirklich wunderschön! Und Danke für die Erwähnung!!

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  18. @Stoffhamster: Die Oma kann sich bestimmt nicht mehr daran erinnern, dass sie das Hemd überhaupt verschenkt hat.

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  19. Ich liebe deine Röcke! Wenn ich doch auch so gut nähen könnte

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