Freitag, 7. Oktober 2011

Quilten ohne Internet III: Handnähen


Warum fängt man eigentlich mit dem Quilten an? Ich vermute der häufigste Weg führt über einen Quilt oder ein Bild von einem Quilt – den sieht man und denkt: ‚Wie wird denn das gemacht? Das will ich auch können/haben!‘ Tja, und schon ist man drin, meistens für lange Zeit.


So lief es jedenfalls bei mir. In der Stadtbücherei durchforstete ich schon früh die Regale der Bastel- und Handarbeitsabteilung. Es gab da ziemlich viele dieser allgemeinen Handarbeitsbücher, wie sie eben in den Siebzigern und Achtzigern üblich waren: Die schönsten Handarbeiten – Nähen, Stricken, Häkeln, Patchwork – in einem Band. Eines Tages blätterte ich in so einem Buch eine Seite um – und spürte ein fasziniertes Kribbeln: Das Patchwork-Kapitel begann mit der doppelseitigen Abbildung eines alten Lady-of-the-Lake-Quilts in Rottönen - ähnlich wie der hier, aber dunkler, mit viel mehr Rot. Wie dieses in meinen Augen unendlich komplexe Muster zusammengesetzt würde, konnte ich damals nicht einmal erahnen – aber ich wusste: Das will ich auch können.


Tatsächlich war die Begegnung mit diesem Buch der Beginn meines Interesses an Patchwork, und auch der Grund, warum einige meiner Quilts vorwiegend rot sind. Diese Decke von etwa 1998 ist sozusagen der letzte Ausläufer meiner Lady-of-the-Lake-Begeisterung. Das Muster ist eine der unzähligen Flying-geese-Variationen, also ein Muster mit vielen Dreiecken, die ähnlich wie ein Zugvögelschwarm hintereinander in einer Richtung angeordnet sind.


Wie die anderen Decken auch ist diese handgenäht – klingt wahnsinnig, ich weiß. Griselda sagte letztens zu der Zickzackdecke: "Erzähl mal, wie kommt man auf die Idee, gerade Nähte mit der Hand zu nähen? Das verstehe ich ja bei Applikationen, dem Handquilten oder bei Drapierungen- aber sich die einfachsten Nähte so zeitintensiv zu machen?"


Stimmt. Handnähte sind beim Patchworken nicht besser, exakter oder sonstwie vorteilhafter als Maschinennähte, sie sind anders. Leider lässt sich der Unterschied im Bild kaum wiedergeben - das Bild oben zeigt ein Detail der roten Decke im Vergleich mit einem maschinengenähten Patchwork (das obere). Wenn die Maschinennaht eine schnurgerade, harte, wie mit dem Lineal gezogene Linie bildet, dann ist die Handnaht im Vergleich wie ein nach Augenmaß gezogener Strich. Da ich die Blöcke beim Handnähen immer nur ganz zum Schluss gebügelt habe, sind sie strukturierter, unpräziser, die Konturen immer leicht unscharf. Diese Unterschiede sind dafür verantwortlich, dass man einen einmal per Hand begonnenen Quilt kaum mit der Maschine vollenden kann: es sieht einfach total falsch aus.


Das Handnähen hat sich meistens so ergeben - erstens war ich (und bin ich) eine schlampige Zuschneiderin. Das ganze Patchwork-Equipment, also Rollschneider, Lineale, Schneidematten, das heute das exakte Zuschneiden erleichtert, war zu meiner Anfangszeit in Deutschland noch nicht verbreitet. Mit Handnähten konnte ich mein Geschlampe ganz gut ausgleichen. Und dann wollte ich eben auch im Urlaub nähen, mich beim Nähen unterhalten oder dabei fernsehen, und auch dafür bot sich das Handnähen an.


Mehr Gründe gibt es eigentlich nicht - die Tendenz mancher Kunsthandwerkerinnen, die Tätigkeit des Mit-der-Hand-Nähens geheimnisvoll raunend mit spirituellen Bedeutungen aufzuladen, ist mir ziemlich fremd. Nähen hat zwar wirklich etwas meditatives, weil es so eine einfache und repetitive Tätigkeit ist: immer geradeaus, immer die gleiche Bewegung. Aber das ist das Stricken auch, und trotzdem werden darin im allgemeinen keine esoterischen Wahrheiten vermutet. Aber das will ich gar nicht kritisieren, jeder wie er oder sie mag. Ich nähe immer noch gerne mit der Hand, derzeit keine großen Decken, aber ich will nicht ausschließen, dass ich es nicht doch noch einmal tue. (Ich freu mich schon auf das Treffen der Selbsthilfegruppe nächsten Sonntag, da kommt man erst wieder auf Ideen...)

20 Kommentare:

  1. Wow! Ich bin ja schon unfähig, eine gerissene Naht "sauber" mit der Hand auszubessern - wobei das vermutlich auch alles eine Sache der Technik/Übung ist. Da bin ich doch froh um mein Maschinchen.:-)
    Aber sag mal, wie lange dauert es denn dann, so eine Decke zu nähen? Wenn ich überlege, dass eine Nähma-Naht ja doch recht schnell runter gerattert ist....
    LG
    uta

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  2. Ich habe in meinen Jugendjahren auch von Hand genäht. Ich traute mich an die ratternde Nähmaschine meiner Mutter einfach nicht ran. Und auch heute freue ich mich richtig darauf, wenn ich ein paar Meter Binding von Hand an der Rückseite festnähen darf!

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  3. Beeindruckend und wunderschön.
    Im Vergleich sieht die handgenähte Decke wirklich plastischer und hübscher aus, aber ich würde so ein Projekt nie beginnen, denn ich nähe ungern mit der Hand. Ich erinnere mich noch am meine Grundschulzeit als ich im Handarbeitsunterricht wieder mit der Hand nähen musste,obwohl ich daheim schon eifrig an meiner Kindernähmaschine und Mamas Maschine nähen durfte. Ich fand das schlimm und seit dem bin ich wahrscheinlich geschädigt.
    Sticken dagegen fand ich immer schön, obwohl das ja gar nicht so arg anders ist...
    Viele Grüße
    Julia

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  4. Deine Erklärung des Unterschieds von hand- und maschinegenähten Nähten ist sehr einleuchtend und verständlich. Auch kann die Begeisterung fürs Handnähen nachvollziehen, es ist einfach entspannter, entspannender da gemächlicher, man kann sich gemütlicher hinsetzen, der Nähmaschinenlärm entfällt....
    Ich bin nur einfach immer wieder vor Ehrfurcht platt, dass du diese ganzen großen Decken von Hand nähst. Wahnsinn!

    LG
    Wiebke

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  5. Diese Decke ist einfach traumhaft!!! Mir gefällt der handgenähte Charakter auch sehr gut - und er ist sichtbar. Ich habe allerdings noch nie gequiltet. Stell ich mir schon sehr mühsam vor, das alles mit der Hand zu nähen ... ich verneige mich tief vor solch einer Fleißarbeit. Ein echtes Kunstwerk hast du da geschaffen.
    Liebe Grüße
    Antje

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  6. wow, das ist sooo viel Arbeit!
    bin ganz ehrfürchtig :)

    lg
    Georgina

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  7. Toller Quilt!!! Der handgenähte Charakter gefällt mir ausnehmend gut, und ich vermute, dass der Quilt auch weicher ist, als wenn er maschinengenäht wäre? Jedenfalls: Ein starkes Stück!

    Viele Grüße

    Kaeru

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  8. sehr schön formuliert!ich habe einen apple core quilt den ich unterwegs oder im urlaub von hand weiternähe .ich probier halt gern alles aus im moment quilte ich mit häkelgarn.....auch schön....wie so viele unterschiedliche techniken.liebe grüße aus trier

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  9. toll ist die decke geworden!!!! die wird sicher ein paar generationen überdauern!!!
    ich hab leider nicht wirklich geduld für so große projekte ;) meine grannysquares bedecken nichtmal die knie und versauern im wohnzimmertisch *gg*
    LG
    Nadine

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  10. Liebe Lucy, ich bin mal wieder sehr beeindruckt von deinen Quiltkünsten. Die Decke ist wunderschön - und genau dieser Charme der Handnähte, den du so schön beschreibst, macht sie so besonders.
    LG, berry

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  11. Die Decke ist traumhaft schön, und das Handgenähte verleiht ihr besonders viel Charakter. Leider geht mir die Geduld für kleinteiliges Patchen völlig ab, sogar mit der Nähmaschine. Die Stunden, die da hineingeflossen sind, mag ich mir gar nicht vorstellen!

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  12. Ich kann ja nur den Hut ziehen, allein die Vorstellung von dem weitentfernten Ende, weil zeitintensiv, läßt es mich nicht anfangen. ABER vielleicht sollte ich es genauso anfangen? Deine Gründe sind nämlich für mich die, warum ich gern stricke.Ich kann es mitnhemen, reden, sehen etc.
    Verrate mir bitte, ob du alles im Vorfeld zugeschnitten hast oder eher etappen- oder segmentweise. Jedenfalls gefällt mir die rote Decke genauso gut wie deine anderen Großprojekte !
    Rotgemischte Grüße von Karen

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  13. Ja, ich würde auch gern wissen, ob du von Anfang an alles geplant hast, oder ob die Stoffe/Dreiecke nach und nach hinzugekommen sind.

    Wenn man den Quilt live sieht, fällt auch noch das Plastische im Vergleich zum Maschinengenähten auf. Vielleicht weil die Nähte nicht ganz so fest sind wie bei der Maschine? Also quasi eine dreidimensionale Ungenauigkeit/Lebendigkeit.

    Ich würde das Handnähen ja auch nicht mystifizieren, aber man kann es auch zu sehr ablehnen. Mir war es bis vor Kurzem ein Graus, auch nur die kleinste Strecke mit der Hand zu nähen. Seit meine Maschinen alle irgendwie spinnen habe ich mich dran gewöhnt, zur Nadel und Faden zu greifen. Man macht sich viele Dinge auch leichter, gerade bei komplizierten Aktionen.

    (Die Decke passt gut zum Teppich)

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  14. Das Muster mit den vielen kleinen Strecken eignet sich wirklich gut zum Handnähen. So bleibt das dann schon spannend, da ja immer neue Elemente anfefügt werden können.
    Wahrscheinlich muss man die Decke inEcht mal fühlen, um den Unterschied zur herkömmlichen Näherei plastisch zu begreifen.

    Mir gefällt das Muster gut- wie sich die roten Unis mit den kleingemusterten roten Stoffen zu übergreifenden Quadraten zusammenfügen.
    Schön sind auch deine Farben, die sind klassisch genug, um zu so einem traditionellen Muster zu passen. Sie sind aber gleichzeitig frisch und gar nicht muffig.
    Und dann handgequiltet- logisch :)

    Respekt, Lucy!

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  15. @koala: an so einer Decke habe ich etwa ein dreiviertel Jahr genäht, meistens Abends so zwei Stündchen auf dem Sofa.

    Der Gedanke von "noch so viel Arbeit" kommt da gar nicht auf, denn der Prozess steht dabei im Vordergrund. Ich freue mich daran, wie das Teil langsam wächst und wächst, und denke nicht an "so lange noch bis zum Ergebnis". Die Betrachtungsweise muss einem aber liegen, denke ich, denn genau wie Karen es gerade sagte, die "Vorstellung von dem weitentfernten Ende" würde tatsächlich verhindern, dass man überhaupt damit anfängt.

    Die Decke ist (wie eigentlich immer) nicht durchgeplant. Ich hatte mir alle roten und rotgrundigen Stoffe herausgesucht und ein paar Stoffe für die Dreiecke und dann losgelegt und erstmal ein paar Blöcke genäht. Zum Ende hin, wenn für eine rechteckige Decke in vernünftiger Größe noch Blöcke nötig sind, aber das Material immer weniger wird, dann werden die Blöcke immer zusammengewürfelter, und ich suche überall nach Material, das auch noch passen könnte.

    Mit den Blöcken probiere ich dann mehrere Zusammenstellungen aus, bis ich eine gefunden habe, die mir zusagt. Bei dieser Decke gibts noch das Ordnungsprinzip, dass die Hintergrundstoffe abwechselnd einfarbig rot (verschiedene Rottöne) oder rotgemusterte sind, das entwickelte sich ziemlich am Anfang, so dass ich gleich die richtige Anzahl Blöcke für beide Gruppen nähen konnte. Aber das ist schon das äußerste an Planung, zu dem ich bei so einem großen Teil fähig bin.

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  16. ich werde auch wieder mit der hand nähen..das hat mir bei einem quilt so gut gefallen...
    und ich mag es viel lieber als mit der maschine...danke für die wunderbaren farben und muster. gruß wiebke

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  17. Hi, ich hole mir gerade ein paar Inspirationen. Ich nähe momentan viel Patchworkstoffe und Kinderstoffe und bin immer auf der Suche nach neuen Ideen.

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  18. Hi, wäre ja schön, wenn du hier nicht nur posten würdest, um Links zu einem Shop unterzubringen.

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  19. Hallo, Handnähen wird immer beliebter, man kann auch am Abend auf dem Sofa beim Göga sitzen und es ist so schön das Teil wachsen zu sehen. Zwischenzeitlich gibt es auch schon Handnähgruppen, da hat man auch die Möglichkeit nebenbei miteinander zu reden.

    Iris

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