Dienstag, 10. September 2013

Woche 36


Die letzte Woche war wohl erstmal die allerletzte Spätsommerwoche. Ich strickte ein bißchen an der schwarzen Strickjacke weiter, begann mit dem zweiten Vorderteil, besorgte Stricknadeln für das Miss-Marple-Cape und maschenprobte ein bißchen vor mich hin. Die Entscheidung, welches Muster es wird, ist gefallen, jetzt muss ich nur noch zählen und rechnen. Mehr dazu beim Jodeltreffen am nächsten Sonntag.

Die Freiheit-statt-Angst-Demo am Samstag fand bei schönsten Sommerwetter statt. Ich gehe ganz und gar nicht gerne zu Demos. Mir ist das alles meistens zu undifferenziert, man läuft Gefahr, mit seltsamen Gruppen unfreiwillig Koalitionen einzugehen (in Berlin ist die MLPD zum Beispiel sehr rührig und hängt sich gerne an andere Veranstaltungen ran), und letztlich gehe ich mit dem Gefühl nach Hause, dass die Anstrengung und der verschwendete Nachmittag in keinem Verhältnis zu der erzielten Wirkung stehen.

Das Thema Überwachung war mir aber so wichtig, dass ich mich am Samstag überwand. Erst am Vormittag hatte ich bei TextundBlog das ARD-Interview mit Jacob Appelbaum, dem Verschlüsselungsexperten und Unterstützer von Wikileaks gesehen und überhaupt erst mitgekriegt, dass Appelbaum in Berlin lebt, und zwar nicht freiwillig. Er sprach auch auf der Auftaktkundgebung und erwähnte, dass er keinen Pass mehr besitze. Auch Laura Poitras, die Filmemacherin, die Snowden und Greenwald zusammenbrachte und die Enthüllungen erst ermöglichte, lebt inzwischen in Berlin, nachdem sie in den USA jahrelang von den Behörden schikaniert worden war. Snowden ist, wie bekannt, in Moskau, und Chelsea (vormals Bradley) Manning wird 35 Jahre im Gefängnis verbringen, falls sie das überlebt. Hätte man vor zehn oder mehr Jahren geglaubt, dass das - laut Eigen-PR - "land of the free" diese Leute ins Exil schickt? Von den Briten, bei denen Abgesandte des Geheimdienstes in der Redaktion des Guardian Festplatten zerstören, ganz zu schweigen, und über unsere eigenen Dienste haben wir damit noch gar nicht gesprochen. Ich bin sehr pessimistisch, was unsere Chancen angeht, dass das Ausmaß, die Ziele und die Auftraggeber dieser Spionageprogramme jemals zweifelsfrei aufgeklärt werden - also so, dass Politiker sich nicht mehr hinstellen können und sagen, es handele sich um "unbewiesene Behauptungen" - und noch pessimistischer, dass das Durchforsten unserer Kommunikationsdaten von wem auch immer irgendwann wieder eingestellt werden wird. Und wenn man dann im Netz noch mitkriegt, dass sich Teile der Piratenpartei, der gerade ein Wahlkampfthema auf einem goldenen Tablett gereicht wird, sich lieber in persönlichen Kleinkriegen aufreiben, dann, ja dann ist wieder das Gefühl der Sinnlosigkeit da, das ich schon immer mit dem Demonstrieren-Gehen verbunden habe.

Eine elegante Überleitung zu den Handarbeitsthemen versuche ich gar nicht erst, aber ich habe noch zwei Links:

Strickerinnen sind sich ja sowieso darüber einig, dass das Stricken therapeutische Wirkungen entfalten kann. In Großbritannien gibt es jetzt sogar eine Organisation, die wissenschaftliche Belege für diese These sammelt und die das Stricken in Krankenhäusern, Schulen und Altersheimen systematisch fördern möchte. Stitchlinks vernetzt die Aktivitäten von Strickgruppen in Großbritannien und bringt sie mit Interessierten aus dem Gesundheitssektor zusammen. Ich freue mich schon auf die (sozial-)therapeutische Strickrunde am Mittwoch Abend!

Und noch eine gute Nachricht: Der Indie-Schnittmustershop von Constance, die früher als Perlendiva bloggte, ist endlich eröffnet: Santa-Lucia-Patterns.de. Ich hatte hier ja schon mal kurz darüber geschrieben, als Constance beim Businessplan-Wettbewerb den dritten Platz machte. In ihrem Shop gibt es momentan Schnitte von Sewaholic, By Hand London, Made by Rae, Bluegingerdoll aus Australien und auch die Retrokleider von re-macher (eines davon ist mein Hamburgerservierkleid) - es wird in nächster Zeit aber noch viel mehr dazu kommen, z. B. die Schnittmuster von Sewingcake.com. Alles günstig und schnell aus Deutschland versandt. Viel Erfolg für den Shop!

(Schablonengraffiti: Hermannstraße, Neukölln)

3 Kommentare:

  1. Hallo,

    der Tipp mit dem Indie-Schnittmustershop von Constance ist toll! Habe schon ein tolles Schnittmuster entdeckt! Danke!!! :))))

    lg dani

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  2. Danke für die Links! Als ich über Wiebkes Blog "flog", dachte ich DU hättest den Shop eröffnet :) Hoffe Dir geht es gut, vielleicht sehen wir uns bald mal wieder?! Gruß aus Charlottenburg

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  3. Was Demos bewirken, sieht man ganz gut in Ländern, die sich manchmal schwertun mit demokratischen Prozessen. Hm, ist das jetzt ein Trost? Ich tue mich auch schwer mit Demos, inzwischen haben andere Protestformen vielleicht ja bessere Chancen - wobei man natürlich bei online-Protestaktionen darüber im Klaren sein muss, dass das offensichtlich noch ja ganz andere mitlesende Leute interessiert ;)

    Die Piraten kriegen es fertig (dazu gehört schon was) sich selbst das Wasser abzugraben, sowas können sich dummerweise nur die etablierten Parteien wie die FDP leisten.

    Ich sollte wohl mehr stricken. Hmpfh.

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