Donnerstag, 3. Oktober 2013

Loben und lästern: Burdastyle 10/2013

Was bietet die Oktoberausgabe der Burdastyle? Mir fiel es nicht so schwer wie beim September-Heft, ein paar nähwürdige Schnitte auszumachen. Zuerst müssen wir aber noch einmal auf die Sache mit den Zipfeln zu sprechen kommen. 

In der September-Ausgabe hatte ich mich über etwas unmotiviert wirkende Zipfel an einem Seidenrock lustig gemacht. In den Kommentaren wurde die These aufgeworfen, es handele sich um Prada-Zipfel. Hala stellte dazu eine Bildserie auf ihrem Blog zusammen, punta e a capo steuerte diesen Link bei, und Yvonet plant sogar ein Kostüm mit Prada-Zipfel


Die Frage ist nun: ist der Burda-Zipfel tatsächlich ein Prada-Zipfel? In Heft 10/2013 ist nämlich wieder ein Rock mit Zipfel dabei, Modell 121. Im Unterschied zum September-Modell immerhin ein echtes Godet, der wie ich finde entscheidende Unterschied zu Prada besteht aber darin, dass der Saum bei Prada eine Stufe bildet, während es sich bei Burda um einen, nunja, zipfeligen Zipfel handelt. Mit Stufe-im-Saum-Zipfeln macht frau derzeit offenbar nichts falsch, jedenfalls wurden "uneven geometric hems" bei der New York Fashion Week als Trend für das Frühjahr 2014 ausgerufen. Ob das auch für Zipfel-Zipfel gilt? Ich glaube nicht - während die stufigen Säume klar, scharf, geometrisch, geordnet wirken, hat der Saumzipfel in meinen Augen doch etwas von einem nicht ordentlich begradigten Saum.  


Aber lassen wir die Zipfel und kommen wir zu Bananen, zum Bananenrock 133. Hier als Hippierock umgesetzt, aber das muss ja nicht - aus einem leichten, einfarbigen Wollkrepp genäht, wäre der Schnitt ein eleganter, herrlich schwingender Winterrock für eine russische Prinzessin. Und dazu noch praktisch! Nichts ist bei Eis und Schnee wärmer als ein langer Wollrock. Außerdem bin ich froh, dass ich endlich Recht habe: schon seit gut zwei Jahren prognostiziere ich erfolglos die allgemeine Wiederkehr langer bis sehr langer Röcke. Aber der Maxirock blieb auf einige wagemutige Rockträgerinnen mit noch wagemutigere Brillen in Berlin Mitte beschränkt, bis er sich endlich im vergangenen Sommer auch auf die anderen Stadtteile ausbreitete. Dass es nun auch im Winter Maxiröcke gibt ist also nur folgerichtig, und da meine Ahnung nun so schön bestätigt wurde, prophezeie ich gleich noch was Neues: in einem Jahr tragen wir dann alle Midiröcke in eleganter Wadenlänge.


Schön fand ich auch die Jacke 129, die hinten ein kleines, gefaltetes Schößchen hat. Solche Zirkusdirektorenjäckchen, die zugleich ein bißchen an historische Uniformen erinnern, gibt es recht oft bei Burda, sie schaffen es nur leider nie in die vorderen Ränge meiner Nähliste, sondern dümpeln immer am unteren Ende herum, obwohl ich sogar schon alte, mattoxidierte Goldtresse besitze. Verlängert als Mantel 130 aus so einer Art Möbelbezugsstoff auch nicht schlecht, auch wenn ich den nicht tragen darf, da "ideal für Frauen mit kleinem Busen und breiten Hüften", und ich bin umgekehrt. Außerdem gibt es einen Wintermantel mit Kapuze (Nr. 125), ein aufwendiges Cape mit Reißverschluss (Nr. 104), das sogar auf dem Fahrrad funktionieren würde, und ein Jerseyoberteil bzw. Kleid mit interessantem Ausschnitt und Schößchen (124a/b) - alles Schnitte, die ich zwar nicht unmittelbar nachnähen will, aber wer weiß, in den nächsten zwei bis drei Jahren könnte sich ein Bedarf ergeben.


Neben dieser ansehnlichen Ausbeute guter Schnitte macht der Poncho 116 durch Signalfarbe und -musterung auf sich aufmerksam: "Schaut mich an! Ich bin eine mobile Warnbake!" scheint er zu schreien. Dass dieser Stoffkegel nicht als Kleidungsstück konzipiert worden ist, darauf deutet auch hin, dass der Poncho in etwa den Po bedeckt und mithin die Hände selbst dann kaum herausschauen würden, wenn es die grotesken Lederfransen nicht gäbe.

Selbst die Textredaktion scheint sich schwergetan zu haben: "Mother Nature. Poncho 116. Egal ob Sie im Baumhaus leben oder ihr Dasein in der Stadt fortsetzen wollen: in dem aus zwei Strickstoffen zusammengesetzten Poncho mit selbst gemachten Lederfransen sind Sie auf jeden Fall eine Naturschönheit." Ich gebe zu, die Argumentation erschließt sich mir nicht ganz, auch wenn ich natürlich herzlich gerne eine Naturschönheit wäre! Aber keine Naturschönheit ohne Arme, möchte ich zur Sicherheit hinzufügen.


Ja, und was sagt ihr zu Tarnfleckenstoff? Die Fotostrecke "New Military" spielt mit Stilelementen der Uniform: Koppelgürtel, Uniformmützen, Lederhandschuhe, grobe Stiefel, oliv und Flecktarn.

Ich kenne die Argumentation, dass diese Stilzitate außerhalb des militärischen Kontextes ja gar nichts Martialisches mehr bedeuten würden, und ich lasse sie mir für Parka-Abwandlungen oder Trenchcoats, die ja nichts anderes als Militärmäntel sind, gefallen - beide Schnittformen gehören schon so lange zum Mode-Inventar, dass der Ursprungskontext schon weitgehend von neuen Bedeutungen überdeckt wurde. Bei Tarnfleckenstoff hört für mich der Spaß auf: mit Krieg spielt man nicht. Dieses Muster ist für mich unauflöslich mit Tod und Verderben verknüpft, und diese Verbindung lässt sich nicht auflösen, egal wie häufig Models im Flecktarn irgendwo über die Laufstege getrieben werden. Und wenn mich nicht alles täuscht - die Burdastadt München mag da anders ticken als Berlin - sind die Versuche des modisch-industriellen Komplexes bisher gescheitert, das Muster zu veredeln und in ein nur noch modisches Statement zu überführen. Ich sehe Flecktarn selten in den Geschäften, und selten auf der Straße, und wenn wird es nicht von modischen Mädchen, sondern meistens von Männern unbestimmten Alters und mit ungünstiger Sozialprognose getragen, denen man durchaus einen Amoklauf zutrauen würde.

In der Militärmode-Strecke verbirgt sich immerhin noch ein sehr brauchbarer Schnitt für eine Nylonjacke mit Steppfutter (Nr. 105). Und das Silberhemd (Nr. 113)? Auch das ist ein Trend: New York spricht zwar von Gold, aber egal: Hauptsache Edelmetall. Da ich mich beim ramschigen An-und-Verkauf gegenüber vom Büro schon zu einer Jacke aus schwarz-gold gewebtem Stoff hingezogen fühlte (was für mich völlig absurd ist), könnte da sogar was dran sein.

Der aufmerksamen Leserin entgeht außerdem nicht, dass dieses Heft keinen Designerschnitt und auch kein Vintage-Schnittmuster enthielt. Ich hoffe sehr, dass dies nicht der Anfang eines Trends ist!

20 Kommentare:

  1. Habe lange nicht mehr so gelacht. Viel Nähenswertes scheint ja nicht drin zu sein. Greife dann auf ältere Schnitte zurück.
    Viele liebe Grüße
    schurrmurr

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  2. Oh ja, Camouflagestoff löst bei mir auch ein Schaudern aus und zwar kein wohliges. Ich verstehe auch nicht, warum dieses Muster immer wieder auftaucht.
    Den Zipfelrockschnitt finde ich gar nicht uninteressant und ließe sich den Pradamodellen bestimmt angleichen.
    Süß finde ich in der Ausgabe noch den kurzen Paillettenrock (120) mit der anliegenden breiten Hüftpasse und Faltenteil. Kein Schnittmuster für mich, aber für die Teenagertochter. Und Paillettenstoff muß es auch nicht sein.
    Auch die Jacke 105, obwohl im Heft wieder aus Bäh-Muster, gefällt mir gut. Der Schnitt hat viele schöne Details und sieht insgesamt sportlich-schick aus. Aber ob und wann ich mir das nähe, bleibt dahingestellt.
    LG von Susanne

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    1. Stimmt, der kurze Faltenrock mit Passe ist einer dieser Basisschnitte, die man vielleicht doch mal brauchen kann.

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  3. Hahaha..warnbake..was auch immer das ist..tolles Wort.!
    Mit doppelzipfeligen Röcken kann ich mich null anfreunden...habe ich ja bekanntermassen mit Röcken meine Probleme..riesige Hemden in Edelmetall find ich leider auch grenzwertig, bin aber auch nicht mehr jung, geschweige denn hip und urban...
    Und wer ausser jung hip und urban soll solche uneven Hems tragen können ???
    Rätsel...
    Camouflage find ich gesagt echt scheisse.fand ich schon immer.das armygreen lass ich mir als einzelfarbe noch gefallen..aber diese wirre Muster wird auch in der Provinz gerne von rabaukenden Menschen mit Alkoholproblemen getragen, was natürlich öfters zur ungünstigen Sozialprognose beiträgt...auch auf dem Dorf leider.
    Deine Ausblicke sind sehr amüsant...you Made my Day !

    Liebe Grüße aus der stillen Provinz
    Stella

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  4. ich bin schon wirklich auf deine analyse von november ausgabe seeeeeeeeehr gespannt!denn die könnte ich von A bis Z durchnähen!und das passiert mit mir selten.
    ach ja. hier kannst du novemberausgabe sehen:
    http://p-an-da.blogspot.de/2013/09/burda-11-2013.html

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    1. Ja, da sind schöne Sachen dabei, ich fürchte, es wird gar nichts zu lästern geben!

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    2. Echt? Ich sehe da ziemlich großes Lästerpotential... Und das Vintage-Schnittmuster ist jetzt einfach immer eins (mindestens) aus den 80ern.

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  5. P.S. zirkusdirektorenjäckchen haben meiner meinung nach ihren ursprung in der trachtwelt(deutschraum und ungarn).erst gestern fantastische trachtenoberteile bei Müller und sohn(Rundschau magazin) mit änlichen knopflöcher gesehen.

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  6. Der Zipfelrock schaut aus wie ein verrutschtes VoKuHiLa- (=Fishtail-) Röckchen, was die Sache aber auch nicht besser macht als das Prada-Gimmick.
    Der Rockstar der nächsten Sommersaisom ist diesmal bisher Balmain- das gesamte Styling ist superschön und irgendwie anders. Diese Säume!
    Hier: http://www.modepilot.de/2013/09/28/paris-fashion-week-balmain-runway-report/

    Der ausgegrabene Bananenrock in Maxilänge hat was- auf schneematschtaugliches Niveau kann man das ja immer noch kürzen.

    Ich hab die Burda bisher nur in der Bücherei durchgeblättert- aber diesmal war so spontan nix für mich dabei. Irgendwie hab ich den Eindruck , dass ich das alles auch aus dem Bestand nähen könnte ( Auch den Bananenrock, den gab es vor ein paar Jahren schonmal.)

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    1. Die Rockform bei Balmain ist ja sehr interessant - hoch angesetzte Volants aus steifem Stoff, das würde mich auch nciht wundern, wenn wir das öfter zu sehen kriegten. (Aber die Materialien finde ich ja ganz, ganz furchtbar: gestepptes Leder, gesteppter, gebleichter Jeansstoff - glaube nicht, dass ich mir das "schönsehe").

      Ich schaue mir ja immer nur Dries van Noten an - da gefällt mir i. d. R. alles, aber die Schnitte ändern sich von Jahr zu Jahr nicht großartig. Die Sachen leben von den Materialien.

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  7. Tja, bei mir ist die aktuelle Ausgabe nur zur Zeitüberbrückung gekauft worden. Rein schnitttechnisch diesmal leider so lecker wie kalter Kaffee...
    Die Holländer machen das deutlich besser/moderner/tragbarer.
    Herzliche Grüße
    Petra

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  8. Deine analytische Zusammenfassung ist wieder sehr treffend!!!!beim Poncho dachte ich es könnte auch ein übriggebliebenes Faschingskostüm sein, das Kind der Redakteurin wollte vielleicht als Verkehrshütchen gehen.

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  9. Also ich hab das nette Röckchen mit den Passen genäht (123) und finde es ganz zauberhaft. Den Bananenrock finde ich auch sehr interessant würde ihn allerdings gerne in Knielänge haben...schwierig oder? Die rockbahnen sind ja unten so abgerundet und selbst ohne Rundung ist das kürzen vielleicht kniffelig. Was meint ihr?
    Viele Grüße
    Maike

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    1. Hm ja, schwierig. Beim Bananenrock müsste man die Bahnen an mehreren Stellen gut verteilt kürzen - also sozusagen zusammenstauchen. Aber mit der Saumweite, wie sie bei dem bodenlangen Rock ist, sieht das vermutlich nicht so gut aus, der Rock müsste bei Knielänge schmaler sein, vermute ich. Nicht so einfach, dazu müsste man ein Probeteil machen.

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  10. ..Ach ja und von Nr. 128 habe ich mir eine Bluse gemacht, die ist nur ein bisschen knapp wahrscheinlich ist das orginal Material dehnbar?
    Nochmal Maike :)

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  11. Liebe Lucy,
    tja der Zipfelrock ist wirklich was für ..na ja.. pppfff.. Ich habe keine Ahnung was das soll! Da fehlt mir auf jeden Fall die Strukttur, die beim Prada-Rock zu sehen ist. Der einzige Zipfelrock, der mir bisher gefallen hat, war in Burda von ca 1999, grade, knapp über/unterm Knie und man konnte da eine geomentrische Form erkennen. Aber ich habe auch die in diesem Sommer angesagte Kleider und Tuniken mit asymetrischem Saum nicht verstanden - die waren mir vorne zu kurz und hinten zu lang. Bin wohl doch zu konservativ :D
    Und das Jersey-Top 124.. na ja.. Ich glaube, dass es auch am Stoff liegt, dass das Foto sehr unvorteilhaft ist und Querfalten am Bauch hat. Das Kleid 125 finde ich schon wieder zeimlich shick. Wo kriege ich so ein Vogel-Stoff her?? :) Im großen und ganzem stimme ich Dir zu - war nicht unbedingt die beste Burda-Ausgabe. Und ich warte mit Neugierde auf November-Heft. Die Fotos sind schon vielversprechend.
    Liebste Grüße
    FvW

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  12. Hallo Lucy,
    diese Zusammenfassung hier lese ich immer gerne, habe mein Abo vor ca. 3 Jahren abbestellet, weil ich nie was daraus genäht habe.
    Ich dachte bisher, die Zeit der Zipfel ist vorbei ;-))
    Bananenrock ist für mich Flower-Power, daraus kommt ja immer mal was zurück. Schätze mal, man braucht reichlich Stoff(e).
    Kurzjacken empfinde ich als zeitlos, das Revival mit Possamenten haben sicher die Beatles ausgelöst, M. Jackson u.v.a hatten auch welche.
    LG Ute

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  13. *lach* Danke für den netten Post!! Die Zipfel sind mir auch aufgefallen....
    Nur, aber, aber: "mein" München ist auch nicht wirklich eine "Burdastadt" und Camouflagestoff geht egal wo überhaupt nicht, finde ich...

    Liebe Grüße,
    Stefanie

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  14. Bin mal gespannt, ob du mit deiner Midirockprognose recht behälst. Ich habe hier einige und finde sie gut, fühle mich aber immer blöd darin, unproportioniert. Ist das nur das Modeempfinden oder doch eine Frage des Körperbaus? Mit Midiröcken kriegt man auch mehr Mantelprobleme als man eh schon hat.

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  15. Hab ich es schon erwähnt, dass ich deine neuste Rubrik „Loben und Lästern“ ganz toll finde. Ich mag sehr die Art, wie du sie schreibst. Als ich den Abschnitt über den Poncho las, ist mir zum erstem Mal aufgefallen, dass ich die Texte in der Burda überhaupt nicht beachte. „Mother Nature“ - köstlich :).
    Diese Woche werde ich mir überlegen, wie man aus einem Burda-Zipfel einen Prada-Zipfel machen kann, mal schauen, ob es mir gelingt. Und einen Midirock brauche ich auch unbedingt. Auch freue ich mich schon sehr auf die November Burda. Bin deinem Link gefolgt und mir alle Modelle dieser Ausgabe schon angeschaut. Mein Urteil vorab: bis jetzt mit Abstand die beste Ausgabe in diesem Jahr, wirklich viele schöne Kleider aber zum Lästern findet sich immer irgendetwas :).

    LG Yvonne

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