Sonntag, 27. Juni 2010

Fehlplatzierung

Kirchenfensterpatchwork oder Cathedral Windows nennt sich dieses Muster, das man nur mit der Hand nähen kann.

1. 7. 2010: Falsch, es lässt sich tatsächlich auch mit der Maschine nähen, wenn man geschickt ist, siehe hier bei Greta.

Kleine Stoffquadrate - dafür kann man sehr gut ganz viele kleine Reste verwenden - werden jeweils von einem leicht plastischen Rand eingefasst. Der Untergrund besteht aus mehrfach gefalteten und aneinander genähten Quadraten, auf denen die Musterquadrate angeordnet werden. Die gefalteten Kanten des Untergrundstoffes werden dann umgebogen und mit kleinen Stichen festgenäht.

Eine detaillierte Schritt-für-Schritt-Anleitung mit vielen Bildern findet man hier, dort sieht man auch die häufigste Farbkombination: weißer oder cremeweißer Untergrundstoff, bunte Flicken - so wie bei Natrons schickem Skizzenbuch. Die Wattierung, die laut Fotoanleitung eingearbeitet wird, halte ich allerdings für überflüssig - das wird alles schon dick genug -, und auch das Umbügeln der Kanten der gemusterten Quadrate kann man sich sparen.


Das Kirchenfenster-Patchwork stammt vermutlich aus den 1930er Jahren, entnehme ich der Diskussion hier, wurde in den 1950er Jahren einige Male in Handarbeitszeitschriften veröffentlicht, aber erst in den 1970er Jahren so richtig populär. Anders als man auf den ersten Blick denken könnte, handelt es sich also um ein eher modernes Muster - was rational betrachtet dann wieder nicht verwundert, denn die Falttechnik verschlingt eine Menge Stoff, ungefähr das Vierfache der fertigen Größe. Dafür muss die Arbeit zwar nicht gequiltet werden, aber zu einer Zeit, als Quilts aus ökonomischer Notwendigkeit genäht wurden, hätte wohl keine kluge Hausfrau so eine Stoffmenge für das Innenleben eines Quilts verschwendet.

Ich verwendete für den Untergrund hier einen dünnen, dunkelgrauen Wollstoff von einer alten Anzughose - übrigens eine Qual, das alles in Form zu bügeln, aber dafür sind die Rippen des Musters schön plastisch herausgekommen. Die Füllung der Kirchenfensterquadrate ist ein selbst bemalter Stoff, die Zutaten hatte ich vor einiger Zeit schon hier gezeigt.

Und auch das Motto von damals - Schöner Scheitern - setzt sich fort: das Patchwork an sich gefällt mir zwar, aber als Klappe für eine praktische, Din A4-taugliche Tasche ist es fehl am Platz. Mit einem zusätzlichen Rand drumherum würde es mir vielleicht besser gefallen, aber dann passt die Größe natürlich nicht mehr. Aus dem Taschenkorpus muss, das kann man hier natürlich nicht sehen, eine Lage Einlage wieder raus - ich wollte sie etwas abpolstern, da mein Laptop manchmal auch mitkommt, aber das Ergebnis gefällt mir so nicht. Ich muss also trennen. Und, noch schlimmer, wieder neu zusammennähen, denn schon jetzt habe ich festgestellt, dass mir das Nähen solcher Taschen mit vielen Lagen Stoff und Verstärkung nicht sehr behagt. Ich empfinde das als anstrengend. Da ich aber nicht ewig mit einem zehn Jahre alten Tchibo-Rucksack herumlaufen kann, wenn ich mal was zu transportieren habe, werde ich nicht aufgeben. Eine Idee für eine andere Klappe habe ich schon - ich halte euch auf dem Laufenden.

Er wirbt für die sehr sehenswerte Ausstellung Helden, Freaks und Superrabbis. Die jüdische Farbe des Comics im Jüdischen Museum in Berlin.

Donnerstag, 24. Juni 2010

Ranken (VIII)


Die 8. Aufgabe der Stickamazonen war etwas ganz einfaches: eine Ranke aus Kettenstich, Spannstich und Knötchenstich, und komplizierter als es ist, habe ich es diesmal auch nicht gemacht.





So siehts aus wenn ich sticke: aus der Hand, dabei sitze ich auf dem Sofa. Ich bin keine große Zubehöranschafferin, daher habe ich praktisch keinen Spezialkleinkram, den es fürs Sticken und Nähen noch so gibt.
Die Pappkärtchen zum Aufwickeln des Garns habe ich in einigen französischen Stickblogs gesehen und mir selbst welche passend zu meiner Dose zugeschnitten (sowas kann man natürlich auch fertig kaufen). Die üblichen Stickgarnstränge von Anchor verwandeln sich bei mir nämlich in kürzester Zeit in vertüddelte Garnklumpen. Mit dem Aufwickeln wird das tatsächlich verhindert, und es sieht auch noch schön aus.

Mittwoch, 16. Juni 2010

Alles Eazy! Tante Burdas flotte junge Nichte


DIY ist gerade in aller Munde, Nähen das Hobby der Stunde bei den Unter-25jährigen, Cut in dieser Zielgruppe ganz erfolgreich – kein Wunder, dass auch der Burda-Verlag mit Angeboten für junge bis sehr junge Nähanfängerinnen experimentiert. Eazy wurde von den diesjährigen Absolventen der Burda-Journalistenschule entwickelt und umgesetzt und ist sozusagen die kompromisslos modische Weiterentwicklung von EasyFashion, dem bisherigen "jüngeren" Schnittmusterheft des Verlages.

Der Modezirkus in einer Collage von Julia Pfaller

Das grafisch sehr schön gestaltete Heft für 8 Euro aus hochwertigem Papier bietet 18 Schnittmuster in voller Größe, fertig zum Ausschneiden, und ein Beiheft mit bebilderten Nähanleitungen, wie man es von EasyFashion kennt. Die Modelle reichen von supereinfach – zum Beispiel der Flatterrock aus geblümtem Liberty Lawn mit Jerseybund – bis zu anspruchsvollen Schnitten, beispielsweise einem weiten Zirkusdirektoren-Frack mit Reverskragen, den es lang, kurz und als Weste gibt.


Als eifrige Hauptstadt-Schaufensterschnüfflerin kann ich versichern, dass die Sachen bis in die Details denen gleichen, die man in hippen Mitte-Boutiquen sehen kann. Ich selbst werde zwar sicherlich niemals einen schulterfreien Overall anziehen (gibt es in kurz und geblümt und in lang und einfarbig mit Schlauchoberteil im Heft), aber in den Läden habe ich genau solche Teile schon gesehen.


Übereinander getragenen Trägershirts in verschiedenen Farben und Längen hat Jane Fonda vor 30 Jahren auch schon gehabt, aber die unversäuberten Säume und Kanten sind neu. Und sehr clever, erstens weil das American Apparel auch so näht, und zweitens weil das Säumen von Jersey mit der Nähmaschine zu einer frustrierenden Erfahrung werden kann. (Alle Modelle aus dem Heft und das Inhaltsverzeichnis hier, einige weitere Heftseiten hier bei B is for Beauty)

Berlin für Selbermacher – Läden, Cafés, Designer, Clubs –, gemischt mit kleinen Interviews mit Kreativen

In Bezug auf die zeitschriftentypischen Infohäppchen muss ich dann aber mal ganz tantenhaft den Kopf schütteln: „Kind, musst du denn so reden?!“ Die sind nämlich in einer kruden Mischung aus (vermeintlicher?) Jugendsprache und Anglizismen getextet - Probe gefällig? "Brockhausen und klug daherscheißen kommen immer gut. Wer also auf hip und bourgeois-intellektuell machen möchte - aufpassen. Diese drei Lifestyle-Trends sind in diesem Sommer Must-Knows." (Seite 13)
Um im gleichen sprachlichen Register zu bleiben: *ächz* Dafür bin ich wohl zu bourgeois-intellektuell. Glücklicherweise gibt es weiter hinten im Heft auch ein paar längere und lesenswerte Artikel, zum Beispiel über zwei erfolgreiche deutsche Strickdesignerinnen in New York.

Fazit: Von stilistischen Fragen mal abgesehen ein sehr ansehnliches Heft, die Schnittmuster sind supermodisch und daher Geschmackssache, anders als Cut richtet sich die Zeitschrift aber ganz deutlich an junge Frauen.

Samstag, 12. Juni 2010

Eyafjalla


Ein paar Tage absolute Ruhe am Himmel - dieses Ereignis musste mit Stickerei festgehalten werden. Als der Nachrichtensprecher eines Abends zum ersten Mal von einem Vulkanausbruch auf Island berichtete und sich stotternd mit dem Bandwurmnamen „Eyjafjallajökull“ abmühte, hätte wohl niemand gedacht, dass dieser Vulkan ein paar Tage später den Flugverkehr in ganz Europa lahm legen würde. Ich bildete mir ein, die ungewohnte Stille am Himmel sogar hier in B. zu spüren, obwohl ich wahrhaftig nicht in der Nähe eines Flughafens wohne.


Der Vulkan entstand nach Vorlage eines Zeitungsfotos - vereinfacht, auf den Stoff übertragen und nachgestickt. Horst Köhler ist mir aber zu schwierig, auch wenn ein Bundespräsidenten-Rücktritt definitiv eine Stickerei verdient hätte.

Die Umrandung ist eine einfache Variation der Hexenstichborte vom letzten Mal (entsprechend der Sonderaufgabe der Stickamazonen, dieses Muster abzuwandeln – die sehr interessanten Lösungen aus der Gruppe sieht man hier und hier).

Freitag, 11. Juni 2010

Textile Art Berlin 2010 am 19./20. Juni


Foto: Nicole Schult-Marsen www.zeitstil.com für Textile Art Berlin

Nur noch acht Mal schlafen! Am übernächsten Wochenende findet in Berlin zum sechsten Mal die Textilkunstmesse Textile Art Berlin statt. Neben Verkaufsständen für außergewöhnliches textiles Kunsthandwerk (zum Beispiel von HG handmade alias Gerdiary), Bücher, Materialien, Workshops gibt es diesmal sechzehn Ausstellungen zu ganz unterschiedlichen textilen Themen. Vor zwei Jahren hatte ich schon einmal über meine Eindrücke berichtet.

Erfahrungsgemäß reicht das Spektrum von von winzigen filigranen Stickereien bis zu lebensgroßen gestrickten Korallenriffen und es gibt annähernd alles, was man aus textilen Materialien im weitesten Sinne anfertigen kann, von B wie Batik bis W wie Weben zu sehen, so dass ich jedes Mal völlig reizüberflutet und (wegen strengen Fotoverbots) mit einem vollgekritzelten Notizbuch zurückkomme. Auch wenn ich daher keine Bilder von den letzten Jahren zeigen kann: Glaubt mir, es lohnt sich, klickt euch durch das Programm und die Aussteller, es ist für jeden etwas dabei.

Textile Art Berlin 2010

Samstag 19. Juni 10-18.00, Sonntag 20. Juni 10-17.00 Uhr
in der Carl-von-Ossietzky-Oberschule, Blücherstraße 46/47, 10961 Berlin

Haltestelle Südstern (U7)

Eintritt 9 Euro für einen Tag, 15 Euro für beide Tage

Freitag, 4. Juni 2010

Hemden-Neid


Regelmäßige Leserinnen dieses kleinen Blogs werden bemerkt haben, dass recycelte Hemdenstoffe zu meinen Lieblingsmaterialien zählen - ob nun als Rock oder als Ansteckblume. Aber auch - Achtung, ganz revolutionär! - das Hemd als Hemd macht sich gut. Oder als Bluse, in meinem Fall.


Denn ehrlich gesagt habe ich Hemden-Neid - wie kann es sein, dass eine hochwertige Bluse ungefähr doppelt so viel kostet wie ein Oberhemd guter Qualität? Warum sitzen Kaufblusen immer so außerordentlich bescheiden? Warum gibt es die weichen, bügelfreien und schön bunt gestreiften Stoffe, aus denen modische Herrenhemden gemacht werden, praktisch nie als Meterware? Solche Fragen stelle ich mir tagaus, tagein (naja).


Die Herrenhemden im Nahtzugabe-Haushalt stehen daher unter verschärfter Beobachtung meinerseits - denn wenn der Kragen durchgescheuert ist, gehört es mir! Ich höre mich vermutlich an wie Gollum, aber diesem speziellen Exemplar - Schweizer Fabrikat, seidiger Stoff, breite tabakbraune und ganz feine veilchenblaue und beige Streifen - gierte ich schon lange hinterher, denn ich sah darin schon die zukünftige Bluse.

Ein Hemd und ein Fat Quarter = eine neue Bluse für mich
Am besten sucht man sich einen Blusenschnitt ohne Passe und Kragen, dann lassen sich die Teile der Bluse aus den entsprechenden Teilen des Hemdes zuschneiden - also die Vorderteile aus den alten Vorderteilen, dabei die Knopfleiste weiterverwenden, das Rückenteil aus dem Rücken und die neuen Ärmel aus den alten. Ich verwendete die Bluse 118 aus Burda 9/2009, ohne Schleife, und mit etwas weniger Weite in den Ärmeln, mangels Stoff. Der Ausschnittbeleg und die Ärmelbündchen sind aus Patchworkstoff, ein Fat Quarter (50*50cm) war reichlich. Weil die Knopflöcher bis auf das oberste nicht mehr genäht werden müssen, geht die ganze Sache sogar ziemlich fix.


(Was mir noch etwas Kopfzerbrechen macht, sind die ungewohnten Proportionen - ich hatte jetzt bestimmt einige Jahre schon keine so lang geschnittene Bluse mehr und muss noch probieren, wie man die am besten anzieht. Aber pst, das muss der Hemdenspender ja nicht wissen, der ist nämlich jetzt neidisch, dass ich das Hemd noch anziehen kann, und er nicht.)

Viele Ideen zum Hemdenrecycling gibt es übrigens hier bei Clevergirl.org (der Link war ein Tipp von Suschna).

Schnittmuster: 118 aus Burda 9/2009
Stoff: Ein Oberhemd und ein Fat Quarter (50*50cm) Patchworkstoff, 2002 oder so in den USA gekauft.
Änderungen: Ärmel wegen Stoffmangel etwas verschmälert, Abnäher an den Körper angepasst, Schleifenband weggelassen.