Montag, 30. Mai 2011

Nähen mit alten Schätzchen: Veritas 8014/41


Seit einigen Wochen steht eine neue alte Nähmaschine in meinem Fuhrpark: Eine Veritas 1814/41, Baujahr 1978, wenn ich die Gußmarken an den Plastikteilen richtig deute. Aus dem VEB Nähmaschinenkombinat Wittenberge, einst als Singer-Werk eine der größten Nähmaschinenfabriken der Welt, mit eigenem Hafen, Bahnanschluss, Werkssiedlung und in der Inflationszeit sogar mit einer eigenen Währung. Ich bin ganz begeistert von der klar aufgebauten Maschine, besonders von dem Aufbewahrungskoffer, in dem sogar noch eine Box für Spulen, Füße und Zubehör integriert ist.


Und wie näht sie nun? Hierzu muss ich vorübergehend in den Autotester-Jargon verfallen:

Der knurrige Motor der Veritas 1814/41 reagiert sofort auf die Ansprache des Gaspedals, zieht gut durch und offenbart seine relativ geringe Leistung (60 Watt) erst bei höheren Nähgeschwindigkeiten. Das bewährte Umlaufgreifersystem läuft ruhig und weitgehend erschütterungsfrei und steht einer modernen Maschine in nichts nach. Die Oldtimerqualitäten der Veritas 1814/41 zeigen sich vor allem in der ruppigen Steuerung der Stichauswahl (ein Gradstich, drei Zickzackstiche mit fester Breite, sechs Zierstiche), die mit einem Umschalthebel auf der Oberseite des Gehäuses angewählt werden können. Der Fadenspannungsregler reagiert zum Teil überempfindlich – aber das zeichnet eben sportliches Nähen ohne elektronischen Fadenwächter und automatischem Nähfußdruck aus. Mit dem mitgelieferten Gradstichfuß bewältigt die Veritas 1814/41 aber auch dünne Materialien problemlos. Sehr spartanisch ist die Abdeckung des Unterfadenzugangs vor dem Transporteur geraten: sie besteht nur aus einer lose aufliegenden Metallplatte, die im Gelände, etwa beim Quilten, leicht vom Nähgut mitgerissen werden kann. Die Elektrik scheint ein weiterer Schwachpunkt der Veritas 1814/41 zu sein. Bei dem getesteten Modell traten in voller Fahrt unerklärliche Motoraussetzer auf, die sich nach einer Wartezeit von zwei bis drei Tagen auf ebenso unerklärliche Weise behoben.

Fazit: Eine interessante Maschine für sportliche Näherinnen, die auf den heute üblichen Komfort verzichten können oder wollen. Hier ist Nähen fast noch so, wie zu den Anfangszeiten der Motorisierung!


Ja, die Elektrik. Erst lief die Maschine gar nicht – dann auf einmal doch. Dann blieb sie mitten im Nähen stehen und bekam offenbar keinen Strom mehr – Ruckeln an Stecker und Kabel brachte nichts – zwei Tage später wieder probiert: sie näht – und bleibt nach einiger Zeit wieder stehen. Der Wellenstich auf dem Kissenbezug letztens brauchte so fünf Anläufe, und in der Fehlersuche bin ich noch nicht viel weiter gekommen. Im Zuge meiner Ursachenforschung hatte ich das Fußpedal schon aufgeschraubt und ergebnislos hineingestarrt, ein anderes Fußpedal bekommen, das leider einen nicht kompatiblen Stecker hat, diverse Forenbeiträge über den Anlasser gewälzt – und nun näht sie gerade wieder, einfach so.


Falls der Fehler wieder auftritt, konsultiere ich einen der Berliner Veritas-Reparateure, die ich in Berlin ausfindig gemacht habe, Ossis Nähmaschinenladen oder Nähmaschinentechnik Kieselbach. Auf der Seite des Veritasklubs gibt es auch jede Menge Informationen, Bilder und Berichte und Reparaturadressen in anderen Städten (leider eine sehr unübersichtliche Seitenstruktur, die Navigation erfolgt jeweils über einen winzigen "weiter"-Button ganz ganz unten auf der Seite). Hilfreich fand ich auch die zahlreichen Veritas-Threads im Nähmaschinenbereich des Hobbyschneiderinnen-Forums, dort habe ich herausgefunden, dass man das Fußpedal der Veritas durch ein Standardpedal ersetzen könnte, wenn man passende Stecker montiert.Es gibt also jede Menge Hoffnung, dass sich das Problem beheben lässt, wenn es sich noch einmal zeigt.


Abgesehen von diesem Problem mit der Stromzufuhr, das ich als Einzelfallpech bewerte, ist die Veritas eine schöne Maschine, die alles kann, was eine Nähmaschine können muss. Wenn mich Näheinsteiger fragen, mit welcher Nähmaschine sie anfangen sollen, empfehle ich immer so eine alte – fragt eure Mutter, Omas und Tanten, ob sie noch eine ungenutzte Maschine im Schrank haben, gebt eine Suchanzeige am schwarzen Brett im Supermarkt auf, schaut bei Haushaltsauflösungen oder bei Ebay. Ich habe bei Nähtreffen schon viele mit Maschinen von Aldi und Konsorten verzweifeln sehen – mit den alten, entstaubten und frisch geölten näht‘s sich besser.

Freitag, 27. Mai 2011

Folge dem Regenbogen

(Geländer an der alten Bahnbrücke über die Bouchéstraße, Alt-Treptow)

Guerilla knitting ist in meinem kleinen Kiez am Rande der großen Stadt bald kein seltener Anblick mehr.
Ein schöner Fund aus Charlottenburg hier im Gerdiary.

Ergänzung 29. 5. 2011: Wie passend, gerade gefunden bei avelinux: die FAZ titelte gestern mit Guerilla-Stricken, der zugehörige Artikel ist hier.

Donnerstag, 19. Mai 2011

Zweite Phase


Meine erste Quiltphase liegt Jahre zurück - und die Patchwork- und Quiltwelt da draußen sieht inzwischen ganz anders aus als noch vor ein paar Jahren. Ich trauere den Zeiten nicht nach, als es schon schwierig war, überhaupt halbwegs geeignete Baumwollstoffe zu finden, als die meisten Leute bei dem Begriff „Quilt“ an schottische Röcke dachten – aber wie ich mich nun in meiner zweiten Quiltphase gegenüber diesem Wust an neuen Stoffen, Mustern, Ideen positioniere, weiß ich noch nicht. Natürlich ist es toll, dass einen durch das Internet die Ideen geradezu überfluten, aber manchmal möchte ich lieber gar nichts mehr sehen, denn ist neben diesen übermächtigen Bildern noch Platz für etwas Eigenes?


Jetzt fange ich erst einmal klein an: Mit Kissenbezügen aus dem Vorhandenen. Hier schnitt ich endlich einige Stoffe aus dem Druckaustausch vor eineinhalb Jahren an – das längliche, sehr bunte Kissen mit Drucken von Floh und Kaze hatte ich hier schon in der Planungsphase gezeigt, das zweite mit Drucken von Tally (ein hellgrüner Zweig mit gelben und blauen Punkten) und Suschna (blaue unterbrochene Streifen auf strukturiertem Stoff) wurde mit Stoffen der 50er Jahre ergänzt.


Das Quilten mit der Nähmaschine ist für mich als Ex-Handquilterin ebenfalls völliges Neuland. Im Kissenformat gar kein Problem – aber wie man wohl einen ganzen Quilt unter der Maschine durchschiebt, und dann womöglich noch mit Freihandmustern versieht, ist mir nicht ganz klar.


Für das bunte Kissen verwendete ich den Wellenstich an meiner neuen alten Maschine, die leider nicht zuverlässig arbeitet (ein Kapitel für sich), daher brauchte ich fünf Anläufe, bis das Kissen endlich gesteppt war. Den Wellenstich mit großer Stichlänge (hier: 3,5) kann ich für erste Maschinenquiltversuche aber sehr empfehlen. Unregelmäßigkeiten fallen längst nicht so auf wie bei geraden Linien und die Oberfläche erhält ganz von selbst eine schöne Struktur.


Und was kommt als nächstes? Noch mehr Kissenbezüge! Diesmal ein Muster aus einem Blog, und ich machs wie bei "Stiller Post": Blog nur ein einziges Mal anschauen, Muster aus dem Kopf nacharbeiten und durch Übertragungsfehler auf eine eigene Note hoffen.

Mittwoch, 18. Mai 2011

Me-made Mittwoch*: Erkaltete Liebe


Wie an bisher fast jedem Me-made Mittwoch (ähem, das Foto ist in Wirklichkeit von Dienstag...) ist es regnerisch und kalt - passend zum Rock, der ist nämlich eine erkaltete Liebe von mir. Den ersten Rock aus diesem Stoff nähte ich ungefähr 1998, in einer ganz ähnlichen, leicht ausgestellten Schnittform und trug ihn sehr häufig. Ungefähr 2006 oder 2007 musste er ersetzt werden, und da noch genug Stoff da war, nähte ich mir diesen hier, nach Schnitt 118a aus Burda 11/2005. In der ersten Zeit zog ich ihn noch häufig an, seit zwei, drei Jahren mit abnehmender Begeisterung und jetzt fast gar nicht mehr. Es fühlt sich nicht mehr richtig an. Ich glaube wir haben uns auseinandergelebt.

Was macht man nun mit so einer alten Liebe? Wegräumen, im Jahr 2025 überraschend wiederfinden und sich freuen oder gruseln? Den Reißverschluss heraustrennen und den Rest entsorgen? Im Bekanntenkreis verschenken, falls ihn jemand will? Behalten, weil er eine zweite Chance verdient hat? Ich sags aber gleich: In die Neues Leben für alte Kleider-Aktion kommt er mir nicht, denn ich habe vor allem den Stoff über.


Den Stoff, Viskose mit großen Paisleys in grün-lila-rostrot, hier noch einmal aus der Nähe - er gewinnt nicht gerade aus größerem Abstand. Und unten die Schnittzeichnung zum Rock aus meinem Nähnotizheft - den Schnitt finde ich nach wie vor empfehlenswert, da man aus nur einem Meter Stoff einen oben engen, unten leicht glockigen Rock erhält. 


*) Am Me-made-Mittwoch geht es darum, selbstgemachte Sachen zu tragen und dies zu dokumentieren. Die Organisation stammt von Cathérine und alle Teilnehmerinnen von heute findet man hier.

Samstag, 14. Mai 2011

Twinkle sews: Origami-Blouse


Einen längeren Beitrag über die Tücken der Origamibluse hatte ich ja schon angedroht, als ich sie an einem Me-made-Mittwoch vorstellte, dann kam einiges dazwischen, und falls inzwischen jemand gehofft haben sollte, von länglichen Monologen über ein Schnittmuster, das keiner kennt, verschont zu bleiben – Pech gehabt. Zwar passen die deutschsprachigen Käuferinnen des Buchs twinkle sews vermutlich in mein Wohnzimmer – aber wir befinden uns hier ja nicht umsonst in einem Nischenmedium. Und falls ihr die Origami-Idee prinzipiell gut findet, euch die Bluse aber lieber sparen würdet: kein Problem, unter unten Punkt 6 sieht man, wie das gemacht wird, ganz einfach nämlich, und das Prinzip ist auf jedes beliebige Oberteil übertragbar.


Prolog

Die Origami-Bluse ist im Grunde kein besonders schwieriger Schnitt. Nähtechnisch kann ihn jeder bewältigen, der einigermaßen präzise geradeaus, um die Ecke und um die Kurve nähen kann. Die Schnittform ist passformunsensibel, soll locker fallen, daher sind figurbedingte Änderungen nicht nötig, solange die Oberweite hineinpasst. Der Teufel steckt in der rudimentären Anleitung, die teilweise umständliche Verarbeitungsweisen vorschlägt, teils nur auf die Detailfotos im Buch verweist und teils einfach unvollständig ist. Deshalb also hier die kniffeligsten Stellen - mit feundlicher Unterstützung von Nähfreundin Wiebke (mit dem beeindruckenden dezentralisierten Stofflager), von der einige der Kniffelstellen-Umschiffungen stammen.


1. Schnittmuster und Größe

Vor das Nähen hat Twinkle das Drucken und Kleben gesetzt. Der Schnitt kommt auf verhältnismäßig überschaubare 28 Seiten. Der Ärmel muss selbstverständlich zwei Mal zugeschnitten werden, das Schnitteil für einen Schrägstreifen braucht man nicht, je nachdem welche Ausschnittversäuberung man wählt, misst man besser das halbfertige Teil aus und schneidet sich nach diesem Maß die Schrägstreifen zu.
Eine Bluse Größe 8 hat einen Brustumfang von ca. 104cm (Falten glattgezogen), die Saumweite sind 126cm, die Blusenlänge (Schulter bis Saum) ca. 60cm.

2. Material

Einen Meter leichter Stoff, hier ist es schwarz-blau-karierter Baumwollvoile von Stoff+Stil. Für den Einsatz und das Bindeband dunkelblauer Jersey, wie die Anleitung vorschlägt. Wiebke verwendete für den Einsatz den gleichen zarten grauen Webstoff wie für die Bluse, als Bindeband nähte sie ein längs gestreiftes Webband per Hand an die Ausschnittkante - definitiv die bessere Idee, denn mein verstürztes Jerseyband ist ziemlich knubbelig. Die Origamiteile sind bei mir ebenfalls aus dem Blusenstoff, Wiebke ließ sie weg und hat trotzdem eine nicht alltägliche Bluse, Au Café couture nahm einen Kontraststoff. Frifris schlug im Kommentar zweifarbige Origamiteile vor – gute Idee, mehr dazu unter Punkt 6.

Links: gesteppte Falten von der Innenseite gesehen, rechts von außen

3. Ärmel

Die Falten an der Oberkante der Ärmel sollen ein Stück zugesteppt werden. Richtet man sich stur nach den Markierungen auf den Schnitteil, erhält man insgesamt 10 Falten pro Ärmel – je vier große und eine kleine auf der Vorder- bzw. Rückseite.

Rechts: Gummiband gedehnt mit Zickzack auf die Saumzugabe genäht, Ärmelnaht geschlossen. Links: Saumzugabe nach innen gefaltet und festgesteckt

Links: Saumzugabe festgesteppt von innen - und rechts Ärmel von außen

Am Ärmelsaum wird ein Gummiband mit Zickzack gedehnt auf die Saumzugabe genäht und am besten erst danach die Ärmelnaht geschlossen. Die Saumzugabe doppelt nach innen einschlagen und festnähen. Es entsteht ein Ballonärmel, bei dem das Gummiband außen nicht sichtbar ist.

4. Ausschnittverarbeitung

Die Anleitung schlägt vor, die Falten in Vorder- und Rückenteil und in den Ärmeln einzulegen und die Ausschnittkanten (zwei am Vorderteil rechts und links vom Schlitz, und die Kante am Rückenteil) einzeln mit Schrägstreifen einzufassen. Anschließend sollen die Ärmel mit Vorder- und Rückenteilen verbunden werden, wobei zwei bis drei Zentimeter vom Ärmel an Ausschnitt überstehen, die nach innen geklappt und „unsichtbar“ per Hand festgenäht werden sollen - umständlich und nicht besonders schön. Wiebke nähte deshalb erst die Ärmel mit den Blusenteilen zusammen und fasste dann die ganze Ausschnittkante in einem Rutsch mit einem Schrägstreifen ein.

Einsatz: Außenteil ins Blusenvorderteil gesteppt, man sieht die linke Seite

Jetzt von rechts: Zweites Einsatzteil rechts auf rechts auf das schon eingesteppte stecken, entlang der oberen Kante und der Schlitzkanten nähen - Nahtzugabe einschneiden, Einsatzteil nach innen wenden

5. Einsatz

Der Einsatz mit Schlitz umschließt die letzten offenen Kanten am Vorderteil. Ich nähte eine Stütznaht entlang der Nahtlinie, an der man sich beim Stecken und Einnähen super orientieren kann. Das erste Einsatzteil nähte ich rechts auf rechts in die Aussparung im Vorderteil - natürlich Nahtzugaben einschneiden und schön bügeln. Das zweite Einsatzteil kommt rechts auf rechts drauf, es wird entlang des Schlitzes und der oberen Kante gesteppt , eingeschnitten, gebügelt und das Teil nach innen gewendet. Die noch offenen Kanten säumte ich per Hand von innen gegen die Naht, Wiebke steppte diese Kante mit einem kleinen Zickzack ab, und die wahren Virtuosinnen des Absteppens würden den Beleg ganz präzise von der rechten Seite „im Nahtschatten“ feststeppen.

So siehts aus: eines der berühmten Origamiteile

6. Origamiteile

Die mysteriösen Origamiteile bestehen aus verstürzten Rechtecken, bei denen man zwei Ecken zur Mitte einer langen Seite faltet und bügelt, so dass eine dreieckige Grundfläche mit zwei hochstehenden Zipfeln entsteht.

Origamiteile in Dreiecksform auf den verstürzten Einsatz steppen

Acht dieser Teile werden auf dem vorher so mühsam verstürzten Einsatz angeordnet und jeweils in Dreicksform festgenäht – die Anordnung ergibt sich aus dem Foto im Buch auf Seite 91, bzw. hier bei mon Cafe couture gibt es auch ein gutes Detailbild. Die vorgegebene Dreiecksgröße ist seltsamerweise breiter als der Einsatz, so dass die Steppnähte teils auf dem Einsatz, teils auf dem Blusenvorderteil liegen – das sieht von innen nicht besonders professionell aus, und beim nächsten Mal würde ich die Origamiteile etwas verkleinern.
Aber so komliziert muss man es sich ja gar nicht machen: Schließlich lässt sich jedes Blusen- oder Shirtvorderteil mit aufgesteppten Origamiteilen aufhübschen – aus dem gleichen oder aus kontrastierendem Stoff, oder sogar zweifarbig, wie Frifris vorgeschlagen hatte, wenn man zwei verschiedenfarbige Rechtecke miteinander verstürzt.

7. Noch Fragen? Falls noch nicht alle kniffeligen Stellen erschöpfend abgehandelt wurden – ich helfe gern, auch später noch, meldet euch dann einfach.

Mittwoch, 11. Mai 2011

Me-made Mittwoch*: Und wo ist hier der Stoff?

Also da...


... ist er schon mal nicht. Aber viele leere Regalfächer und ein Karton: Ich könnte ein Außenlager anlegen! (Übergangszeit-Rock und ein Oberteil von denen.)

Einige sind hier:


(Reste, Reste, Futterstoffe). Ganz viel ist da:


Mal reinschauen? Mein Fundus an bunten und gemusterten Baumwollstoffen. Nur die wenigsten davon habe ich gekauft. Die meisten sind alt, viele bekam ich von Frau G., der Ex-Schneidermeisterin geschenkt. Das wird irgendwann alles Patchwork!


Das meiste ist aber hier: Kleiderstoffe, größtenteils in den letzten drei Jahren lächerlich günstig auf dem Maybachmarkt gekauft und in den unteren Teil meines Kleiderschrankes gestopft. Der Vorrat sieht auf dem Bild gänzlich unspektakulär aus - aber glaubt mir, es ist wie bei Hermines Handtasche aus dem letzten Harry-Potter-Band: Es geht viel mehr rein, als man von außen sieht. Genauer gesagt habe selbst ich nur eine ungefähre Ahnung von Art und Umfang der gelagerten Meterware. Und oben drauf liegen normalerweise noch die für ein neues Leben vorgesehenen Sachen.


An dieser Stelle muss ich auch bekennen, dass mein Stoffkatalogisierungsversuch per Blog vom Juli 2009 als gescheitert zu betrachten ist. Die Idee ist an sich gut - allein, es scheitert an mangelnder Konsequenz und Pflege. Womit ich aber (zumindest für die Neuerwerbungen) ganz gut zurecht komme, ist ein Schulheft in Din A5 mit eingeklebten Stoffproben und den W-Fragen (was, wieviel, wie teuer, gewaschen?). Leider fehlt mir noch ein System, den Aufenthaltsort eines bestimmten Stoffes zu vermerken - mit den bekannten Konsequenzen: Jede Umschichtung des Vorrats zwecks Suche vergrößert dessen Volumen - und die Schranktür geht immer schwerer zu, obwohl ich doch kaum etwas Neues anschaffe...


Catherines Beitrag mit beeindruckenden Stoffbergen (auch von Leserinnen) findet sich hier, die anderen Teilnehmerinnen des Me-made Mittwoch hier.

Mittwoch, 4. Mai 2011

Me-made Mittwoch*: Satin, aber Hollywood ruft trotzdem nicht an


Ich weiß jetzt, woran mich mein neuer beigegrauer Rock erinnert: An die Filmdiven der 30er Jahre. Das leicht glänzende Material wie von einer der phantastischen Abendroben, die Schnittführung mit den Zacken wie spätes Art Déco, die Farbe wie ein Schwarzweißfilm. Hollywood ruft an diesem sehr kalten, regnerischen Vormittag trotzdem nicht an, auch wenn ich schon leicht zerknittert die ganze Zeit neben der Kommunikationszentrale sitze.

(Schnitt: Skyline Skirt aus twinkle sews, Details siehe Beitrag vom Sonntag.)

*) Beim Me-made Mittwoch geht es darum, Selbstgemachtes zu tragen und dies zu dokumentieren - ausgedacht und organisiert von Catherine, die anderen Teilnehmerinnen heute finden sich hier.

Dienstag, 3. Mai 2011

Blüten mit Oma-Power


Häkeln war die einzige Freizeitbeschäftigung, die sich meine Oma zugestand. Obwohl ich früher ein wenig unter ihren selbstgemachten Geschenken litt (ich sage nur: Häkelpullover, Häkelmützen, Häkelschals), besitze ich doch noch einen ganzen Stapel kunstvoll umhäkelter Taschentücher von ihr. Eine richtige Verwendung dafür habe ich nicht – aber Zerschneiden und Patchwork daraus nähen käme auf keinen Fall in Frage. Für dekorative Taschentuchrosetten ist Schneiden glücklicherweise nicht nötig, nur etwas Nähen, Falten und ein besonderes Stoffstückchen für die Mitte, das in einem Taschentuchrahmen präsentiert wird.

Ich verstehe die Taschentuchblüte als Hommage an alle Omas, die mit ihrer Deckchenhäkelei der heutigen DIY-Bewegung den Boden bereitet haben. Danke, Oma! Und Dank auch an Ellen, die den heutigen Kreativtag organisiert hat – alle Beiträge findet man hier in ihrem Blog.

Material:
ein gut gebügeltes Taschentuch mit Häkelspitze von Oma (oder vom Flohmarkt)
ein Stoffquadrat, Seitenlänge 8cm, zum Beispiel mit einer kleinen Stickerei
Nadel und Faden
Stecknadeln
Bügeleisen
evtl. Knöpfe, Perlen zum Verzieren der Mitte
evtl. eine Broschennadel, einen Haarspangenrohling oder Haarreif


Taschentuch und Stoffquadrat Mitte auf Mitte glatt auslegen.


Alle vier Ecken zur Mitte falten und mit ein, zwei Stecknadeln fixieren, die Falze bügeln. Die Stoffecken des Taschentuchs sollen zusammentreffen, die Häkelkanten überlappen.


Die Ecken ein zweites Mal zur Mitte falten, feststecken, bügeln.


Das Gebilde umdrehen und auf der Rückseite die Ecken des Quadrats zur Mitte falten, gut feststecken und bügeln – und das ganze noch ein zweites Mal, dabei wird das Gefaltete schon ziemlich knubbelig, und die Ecken müssen hierbei nicht ganz bis zur Mitte gefaltet werden.


Die Ecken mit ein paar Stichen auf der Rückseite festnähen – dabei aufpassen, dass nur die ersten Schichten bis zum bunten Stoffquadrat erfasst werden, sonst lässt sich die Blüte nicht mehr öffnen.


Und zuletzt: die Stecknadeln auf der Vorderseite entfernen und die Taschentuchecken wie Blütenblätter auseinanderziehen. Voilà, eine Blüte! Die Mitte kann mit einem Knopf, Perlen oder Stickerei weiter verziert werden, auf der Rückseite kann man eine Broschennadel oder eine Haarspange anbringen – oder natürlich die Taschentuchrosette direkt z. B. auf eine Tasche nähen.

Sonntag, 1. Mai 2011

Neues Leben für alte Kleider im April - und ein Ex-(Braun)hemd

Willkommen im Mai zu einer neuen Ideensammlung: Aufhübschen, Umschneidern, Dekonstruieren, Wieder- und Andersverwerten. Man merkt, es wird wärmer, und die verwendeten Materialien werden dünner. Und apropos Materialien: Wenn ich die "Neues Leben"-Posts bis jetzt rekapituliere, dann waren Pullover bisher das heimliche Thema - in jedem Pullovermonstrum steckt anscheinend eine hübsche kleine Strickjacke, die durch Nähkunst hervorgelockt werden kann. Beweis im April: Poet/Seamstress Stories' feiner schwarzer Riesenpullover war in Wirklichkeit eine verzauberte Strickjacke mit gerüschter Verschlussleiste.

Das heimliche Thema im April hingegen waren Kissenbezüge:

Teresa/Rose und Lavendel hat nicht nur eine weitere Stoffgeschichte aus ihrer Nähkarriere parat, das alte Dirndl für ihre Tochter ist inzwischen umgearbeitet, und aus einem Siebziger-Jahre-Kissenbezug wurde eine Einkaufstasche, deren Muster heute wieder ganz modern wirkt.

Sanne/Sannenäht trieb einen ziemlich schrägen Souvenir-Kissenbezug auf und sah ebenfalls eine Tasche darin - mit einem Gürtel als Träger. In Münster scheint es überhaupt beneidenswerte Trödelläden und -Märkte zu geben, denn Sanne findet oft interessante alte Kleider und ändert sie für sich um - zurückblättern im Blog lohnt sich.

Frau Siebensachen entdeckt in Bett- und Kissenbezügen Röcke: Schon im letzten Juni und jetzt wieder - nur die Nähzauberei braucht noch etwas Zeit.

Karina/Was Kawi so macht war auf der gleichen Spur: ein 70er-Jahre-Kissenbezug vom Flohmarkt wurde zu einem Sommerrock und die Lebensdauer von Kindersachen lässt sich mit einfachen Maßnahmen verlängern.

Heike/Schneiderprospekt erweckte eine Puppenwiege zu neuem Leben - ob der Stoff auch schon ein anderes Leben vor sich hatte, weiß ich nicht, aber niedlich ist es auf jeden Fall.

Die Tagpflückerin nähte aus Papas Jeans und Mamas Karobluse eine Kinderhose, die überhaupt nicht gestückelt aussieht.

Danyeelas Frühlingsschal mit Hemdkragen ist zwar streng genommen kein Refashionprojekt - sie nähte den Kragen neu nach einem Blusenschnittmuster - aber die Idee lässt sich natürlich genauso gut mit einem alten Oberhemd verwirklichen, sofern der Kragen noch heil ist. Sehenswert und voller Refashion-Ideen auch die Webseite von artpoint, von denen die Idee ursprünglich stammt. Und, weil es thamtisch gerade so gut passt: Katja/Ofdreamsandseams zeigte am Mittwoch ihr me-made-Outfit und zwar einen Krawattenrock.

Suschnas Kimonoseidenschal stellt nun auch gleich eine wunderbare Verbindung und Überleitung her: er lässt sich bestimmt auch als Frühlingsschal tragen - und andererseits dient er der Pazifierung eines Mantels. Was Blumen doch bewirken können!

(Das nächste Mal Neues Leben für alte Kleider am 5. Juni.)

Mein Refashion-Projekt hatte in gewisser Weise ebenfalls mit Resozialisierung zu tun, wobei Refashion an sich ja sowieso als eine Art Resozialisierung für Kleider betrachtet werden kann: nur dass es hier ausschließlich um Äußerlichkeiten geht, nicht um das Bewusstsein.

Problematisches Hemd
Ausgangspunkt war ein kaum getragenes Hemd, dessen Farbe mit „milchkaffeebraun“ noch am freundlichsten beschrieben ist. Ein Geschenk der Oma des Liebsten, die – wie wohl die meisten Omas – ihrem Enkel immer noch gerne Sachen mitbringt, von denen sie denkt, dass sie nützlich seien. Mal sind es Frühstücksbrettchen, mal sind es eben Hemden. Und was soll ein lieber Enkel antworten, wenn die Oma, damals schon weit über 70 und sehr schlecht zu Fuß, ihn freudestrahlend - „Ich hab‘ dir ein paar schöne Hemden mitgebracht!“ - mit einem braunen Hemd in Größe XL überrascht? "Kannst du das umtauschen?" sicher nicht. Und das Größenargument zieht nicht, weil Oma immer etwas größer kauft, weil ja die Sachen in der ersten Wäsche „bestimmt noch eingehen“.


Das Hemd war also zu groß, es war braun, es war aus einer Polyester-Viskose-Mischung – Eigenschaften, die es zehn Jahre lang zu einem Leben in der hintersten Ecke des Kleiderschrankes verdammten. Meine erste Idee, eine Bluse mit türkisblauen Akzenten, verwarf ich schon beim Auftrennen: dem ziemlich dicken und dabei völlig knitterfreien Stoff war vorherbestimmt, ein Rock zu werden. Und als mir ein beigegrauer Baumwoll-Viskose-Satin in die Hände fiel, den ich letztes Jahr ohne besondere Absicht auf dem Markt gekauft hatte, glaubte ich an die Vorsehung: Gleiche Farbe, nur einen Ton heller, die beiden waren füreinander bestimmt. Und für den Schnitt des „Skyline Skirt“ aus twinkle sews, der zwei aufeinander abgestimmte Rockstoffe verlangt – Eva/Atelier Schmuckstück hatte ihn letztes Jahr in Schwarz mit Karo genäht.


Im Prinzip handelt es sich um einen ausgestellten Acht-Bahnen-Rock, wobei die Bahnen auf Hüfthöhe diagonal geteilt sind. Neben den zwei Teilen für die Rockbahnen gibt es noch ein Schnitteil für den Futterrock, das gleiche für Vorder- und Rückenteil – that‘s it. Diesmal nur 18 Seiten auszudrucken und zusammenzukleben, kein Vergleich zum Annie-Hall-Rock aus dem selben Buch. Fast wäre ich des Lobes voll, wären nicht die Rockteile im Ausdruck so angelegt, dass eines mit der Schrift nach oben und das andere mit der Schrift nach unten auf den Stoff gelegt werden muss, damit es später zusammenpasst – siehe Suchbild. Eine böse Falle, in die ich - natürlich - getappt bin. Glücklicherweise sieht der Hemdenstoff auf Vorder- und Rückseite gleich aus.

Suchbild: was stimmt hier nicht?
Von dieser Hürde abgesehen ist der Rock aber leicht zu nähen und durch die vielen Nähte leicht anzupassen, die obere Kante wird einfach mit dem Futter verstürzt. Und als Rock sieht das undefinierbare Milchkaffeebraugrau richtig gut aus – vor allem gibt es wohl keine Farbe, die nicht dazu passen würde.

Hier noch die harten Fakten zum Rock

Schnitt: Skyline Skirt aus twinkle sews – Vorsicht, einer der Rockteile muss beim Zuschnitt spiegelverkehrt aufgelegt werden!
Größe 8, Hüftweite ca. 98cm, Länge ca. 58cm
Material: Oberer Teil Mischung aus Polyester/Viskose, (Hemd) unterer Teil Satin, wahrscheinlich Baumwolle/Viskose, Viskosefutter, in der oberen Rockkante ein mitgefasstes Band zur Verstärkung