Mittwoch, 30. April 2014

Me made Mittwoch am 30. April - weils wichtig ist


Zuletzt habe nur noch selten am Me-made-Mittwoch teilgenommen, der wöchentlichen Versammlung gut gekleideter Frauen in selbst gemachten Sachen. Aus einer Reihe von Gründen: ich verwendete meine wenige Zeit lieber für andere Blogposts, bei denen ich nach meinem Gefühl mehr zu sagen und zu zeigen habe, als ein durchschnittliches Tagesoutfit. Der Blick von außen auf mich und auf frisch genähte Kleider und das Überprüfen, wie etwas von außen wirkt und ob die Wirkung mit dem Gefühl von innen übereinstimmt, war in der Anfangszeit des Me-made-Mittwoch neu und aufregend, mit der Zeit jedoch wurde diese Selbstüberprüfung immer seltener nötig, und so oft und schnell nähe ich ja auch nicht, so dass ich jeden Mittwoch etwas für andere Neues und Aufregendes zu zeigen hätte.

Memas Post am letzten Mittwoch, als sie über den Sinn der Mittwochsteilnahme für sich reflektierte, und die vielen Kommentarbeiträge dazu, in denen so viele gute Argumente genannt wurden, versetzten mir aber einen Schub, heute und in Zukunft wieder häufiger dabei zu sein.

Warum? Weil der Me-made-Mittwoch die Vernetzung derer ermöglicht, die ihre Kleider selber machen, weil er es Blog-Neulingen ermöglicht, andere Bloggerinnen auf der gleichen Wellenlänge zu finden und selber gefunden zu werden. Weil die Sammlung an Schnitten und Geschmäckern und Ideen andere Selbermacherinnen beflügeln und Nähanfängerinnen ermutigen kann. Weil die Vielfalt an Kleider- und Körperformen, die dort Woche für Woche gezeigt wird, durchaus nicht dem entspricht, was ich sehe, wenn ich hier aus dem Fenster auf die Straße schaue, sondern bunter und individueller ist. Weil ich Mittwochs in den Blogbeiträgen eine Menge Frauen sehe, die stil- und bekleidungsmäßig bei sich angekommen oder auf einem guten Weg zu sich sind, sichtbar zufrieden und mit Spaß daran, sich passend zu bekleiden. Weil ich seit einer Begegnung mit einer jungen Journalistin letzte Woche der Meinung bin, wir Selbermacherinnen müssten eigentlich noch viel mehr missionieren gehen mit dem, was wir tun.

Am letzten Mittwoch wurde die MittwochsMasche, unser 14tägliches Stricktreffen, von einer Mitarbeiterin der Bild am Sonntag besucht, die für einen Beitrag unter dem Motto "Sehnsucht nach früher" unter anderem über Handarbeiten schreiben wollte. Was das Zusammenschrumpfen und schließlich Abschaffen jeglichen Handarbeitsunterrichts oder Textilen Werkens oder ähnlicher Fächer in den Schulen in den letzten Jahren tatsächlich bedeutet, war mir bislang nicht so klar: es bedeutet, dass ein ganz grobes Wissen über den Unterschied von Stricken, Häkeln und Weben und über die grundlegenden Herstellungsprozesse von Textilien nicht mehr als Allgemeinbildung vorausgesetzt werden kann. Bei solchen Begegnungen kann unsereiner dann zwar mit den Augen rollen (mache ich auch - ich brauche das zur Zeit als seelischen Ausgleich, und wenn man über ein Thema schreiben will, könnte man ein bißchen Vorrecherche schon voraussetzen) - aber danach müssen wir erklären und vermitteln. Wie kann sonst ein Bewusstsein über die wahren Kosten von Billigtextilien geschaffen werden, wie es der Fashion Revolution Day am vergangenen Donnerstag versuchte, wenn die durchschnittliche Konsumentin, der durchschnittliche Konsument vermutlich meint, ein maschinell gestrickter Pullover fiele irgendwo im fernen China fix und fertig aus dem Ausgabeschacht einer glänzenden Maschine? Was in anderen Lebensbereichen schon funktioniert hat - niemand glaubt mehr ernsthaft, Milch käme aus dem Karton und Strom aus der Steckdose - kann in Bezug auf Textilien nur funktionieren, wenn überhaupt ein Grundwissen über den Herstellungsprozess und die daran beteiligte Handarbeit von echten Menschen da ist. Und wer kann das der Welt erklären, wenn nicht wir?             


Deshalb gibt es heute ein vollkommen durchschnittliches Alltagsoutfit mit lauter alten bis uralten Sachen, morgens genau richtig, mittags zu warm, ihr kennt das, dokumentiert mit den zwei besten von insgesamt vier Selbstauslöserbildern: Strickjacke aus grüner Sockenwolle nach eigener Berechnung vom April letzten Jahres, älteres selbstgenähtes Ringeltshirt (Burda-Standardschnitt) und 10-Bahnen-Rock mit Passe aus einem Burdaheft vom Herbst 2005 (ergänzt: 118 aus Heft 9/2005, den Schnitt gibt es auch in einer wadenlangen Version), genäht 2005 oder 2006.    

Und bevor ich morgen wieder versuche, die Welt zu retten (jeden Tag ein bißchen), gehe ich jetzt erstmal zurück an das Kapitel des Grauens, das auf dem Schreibtisch liegt, verweise als weltrettende Pausenlektüre auf den Beitrag von Mema zum Fashion Revolution Day und auf frifris inside-out-Experiment und natürlich immer und jederzeit auf den heutigen Me made Mittwoch. Einen schönen Feiertag morgen!

Montag, 28. April 2014

Das Alabama-Projekt II: Schablonieren und Sticken


Mit dem Alabama-Chanin-Projekt, über das ich letzte Woche berichtet hatte, bin ich schon gut vorangekommen. Weil am Sonntag ein kleines Nähtreffen geplant war (das ich übrigens supernett fand - vielen Dank an K. und die anderen Organisatorinnen!), also weil ich Sonntag zu dem Nähtreffen wollte, beeilte ich mich am Samstag, den Stoff so weit vorzubereiten, dass ich am Sonntag mit dem Sticken beginnen konnte. Ich schreibe hier mal etwas ausführlicher als sonst über den Prozess, denn es gibt im Netz zwar Unmengen englischsprachiger Anleitungen für die Applikationen im Alabama-Chanin-Stil, aber so weit ich gesehen habe sehr wenig auf Deutsch. 

Ich mache einen knielangen 4-Bahnen-Rock nach dem Schnittmuster aus Alabama Studio Sewing + Design. Die Kleider bei Alabama Chanin bestehen fast immer aus zwei Lagen Jersey. Die obere Lage wird mitttels Schablonen und Stofffarbe mit einem Muster bedruckt, die Muster werden mit Handstichen durch beide Lagen nachgestickt, und zuletzt wird von der oberen Stofflage einiges weggeschnitten. Manchmal bleiben von der oberen Lage nur einzelne "Musterinseln" stehen, manchmal wirkt das Muster der oberen Lage wie ein Netz, manchmal handelt es sich eher um isolierte "Löcher" in der oberen Schicht. Die Wirkung beruht, denke ich, einmal auf dem großflächigen Einsatz der Muster, zum anderen auf den eleganten Ton-in-Ton-Farbkombinationen der beiden Jerseyschichten. Die offenen Kanten und das sportliche Material sorgen gleichzeitig für eine gewisse Lässigkeit der Kleider. Mir gefällt das sehr gut, die Sachen sind etwas Besonderes, aber auf den zweiten Blick, sie sehen zwar deutlich handgemacht aus, aber nicht selbstgebastelt und auch nicht übertrieben künstlerisch. Bei flickr gibt es eine Sammlung von Alabama-Chanin-Projekten - einige Leute haben tatsächlich schon mehrere Kleider angefertigt, der Aufwand scheint sich also im Rahmen zu halten. (Danke an Dinknesh für den Hinweis auf die flickr-Gruppe.)      


Ich schnitt am Samstag also aus den vier alten Tshirts insgesamt acht Rockbahnen aus, vier weiße und vier graue. Gebrauchtes Material zu verwenden wird im Buch ausdrücklich empfohlen, Natalie Chanin begann selbst mit dem Umarbeiten alter Jerseyware.


Beim Muster orientierte ich mich an der "Bloomers"-Schablone, die man hier unter "resources" in Originalgröße herunterladen kann. Es ist zwar nicht sonderlich kreativ, ein vorgegebenes Muster nachzuarbeiten, aber ich will erstmal ein Gefühl dafür bekommen, wie groß die einzelnen Musterbestandteile sein sollten und in welchen Abständen man sie platziert. Bei Alabama Chanin werden in der Produktion großformatige Schablonen aus dünnem Filz verwendet, weil die Stofffarbe aufgesprüht wird. Ich habe normale Stofffarbe aus dem Glas von Javana verwendet, die ich sowieso noch da hatte und tupfte sie mit einem Schwämmchen auf. Die kleine Schablone schnitt ich aus einem Briefumschlag aus Tyvek. Das ist ein gutes, weil wasserfestes und sehr reißfestes Schablonenmaterial, das mir besser gefällt als Plastik. Die durchgezeichnete Schablonenvorlage aus Papier kann man einfach mit ein paar Klebestifttupfern auf dem Tyvek fixieren (geht wieder ab) und die Aussparungen durch beide Schichten ausschneiden.     


Die Schablone fixierte ich mit Malerkrepp auf dem Stoff. Die Tupferei mit dem Schwamm ergibt eine relativ dicke Farbschicht, die beim Trocknen recht hart wird - glücklicherweise wird nach dem Sticken das meiste davon wieder weggeschnitten.


Das Muster schablonierte ich zwei Mal auf jede Rockbahn. Nach dem Trocknen über Nacht wurden jeweils eine graue Rockbahn und eine weiße Rockbahn als untere Lage aufeinander gelegt und rundherum geheftet.


Gestickt wird dann immer rundherum um die Motive, am einfachsten so wie hier mit kleinen Vorstichen. Im Anleitungsbuch werden noch einige andere Möglichkeiten (z. B. Rückstich, Stielstich) erklärt.

Alabama Chanin verwendet einen ominösen "Button Craft Thread" von Coats & Clark, ein stärkeres Nähgarn aus Poly-Baumwoll-Mischung, das so etwas wie Knopflochgarn zu sein scheint. Als ich zum Garn kaufen losging, hatte ich Marke und Qualität aus der Anleitung nicht im Kopf, weil ich ohnehin nicht damit rechnete, dass es das hier geben könnte. Unser Karstadt führt aber neuerdings Coats & Clark Garne, und anscheinend dieselben Qualitäten, die es auch in den USA gibt. Nach einigem mühsamen Vergleichen - bei Coats werden keine Garnstärken angegeben, wie man es in Europa kennt, und die Mengen auf den Spulen sind, nunja, typisch amerikanisch: 297 Meter und sowas - entschied ich mich für Dual Duty plus, ein baumwollummanteltes Polyestergarn auf einer hellgrünen Spule, das als Handquiltgarn bezeichnet wird. Da man das Garn doppelt nimmt, erschien es mir stabil genug, ich werde aber bei nächster Gelegenheit nach dem "richtigen" Garn Ausschau halten, das auf türkisen 45-Meter-Spulen verkauft wird.     


Beim Nähnachmittag konnte ich in drei Stunden ungefähr zwei Drittel einer Rockbahn sticken. Man umstickt jedes Motiv einzeln für sich, damit die Elastizität des Jerseys erhalten bleibt. Die dicken Knoten auf der Rückseite sind unverzichtbar, die Fadenenden arbeiten sich sonst langsam durch die Maschen nach draußen -  und ich mühe mich ordentlich ab, doppelte Knoten nahe am Stoff hinzukriegen, das ist gar nicht so einfach.

Freitag, 25. April 2014

Schnell entschlossen, schnell genäht: Carmine Knit Jacket von Cake Patterns


Ich bin ja mehr der Typ zögerliche Langsamnäherin und nie schnell dabei, wenn es darum geht, neue Schnittmuster neuer kleiner Firmen auszuprobieren. Es ist also eine absolute Ausnahme und für mich selbst sehr überraschend, dass ich keine zwei Wochen, nachdem ich das Schnittmuster für Carmine im Shop bei Santa-Lucia-Patterns entdeckt hatte, tatsächlich eine Jacke genäht habe. Aus richtigem Stoff, nicht nur ein Probeding. Sehr hilfreich war natürlich auch, dass zu Santa-Lucia-Patterns ein kurzer Dienstweg via MittwochsMasche besteht, und dass ich überraschenderweise im Haushalt kein ausgeleiertes, löchriges Jerseyspannbettlaken zum Zerschneiden fand. Ich hätte ja geschworen, wir haben sowas! 

Ich schnitt also gleich den richtigen Strickstoff an, obwohl es sich um meinen ersten Versuch mit Cake Patterns handelt, einer Firma aus Australien, die sich auf Schnitte für Jersey spezialisiert hat.

Bei der Größenfindung eierte ich dann auch gleich ein bißchen herum: Bei Cake Patterns wählt man die Größe nach dem Oberbrustumfang plus Cupgröße, und ich fiel, was den Oberbrustumfang betrifft, gerade noch in die kleinste verfügbare Größe auf dem Bogen. Das kam mir dann doch etwas komisch vor - ich und die kleinste Größe? Was ziehen dann Leute an, die wirklich klein und zierlich sind? Da ich die Anleitung auf dem Bogen nicht verstand, wie man den Schnitt selbst an eine größere Cupgröße als C anpassen kann, schnitt ich lieber die zweitkleinste Größe zu. Dieser unverständliche Änderungstipp und die merkwürdige Tatsache, dass auf der Cake-Patterns-Webseite bislang kein einziger genähter Prototyp zu sehen ist, sind aber die einzigen Kritikpunkte, die ich an dem Schnitt habe. Das Schnittmuster ist gut gezeichnet, der Bogen aus dickem Papier schön übersichtlich, und die Teile fügen sich Dank einer Menge Passzeichen gut zusammen.  


Die Konstruktion entspricht einer verfeinerten Version der Kreisjacken, die es oft als Strick-oder Häkeljacken gibt. Meistens handelt es sich dabei ja tatsächlich um einen gehäkelten oder gestrickten Kreis, bei dem im oberen Drittel zwei Löcher für die Arme ausgespart werden. Hier ist die Grundform ein unregelmäßiges Oval, so dass der Kragen viel kleiner ist als das Schößchen, die Ärmel werden von einem separaten Mittelteil gebildet und haben für die Beweglichkeit außerdem einen dreieckigen Zwickel. Man kann die ganze Jacke mit der Overlock zusammenrattern - und wenn man Interlock oder Romanit verwendet, würde ich das auch empfehlen - da ich aber einen nicht ganz so dehnbaren und nicht ganz so dünnen Strickstoff verwendete, machte ich mir die Mühe und säumte die Innenseite des ringförmigen Teils mit der Hand gegen die Naht, so dass alle Nahtzugaben bis auf Zwickel- und Ärmelnähte verdeckt sind.


Was die Position des Knopfes betrifft, muss man wohl etwas herumprobieren. Wenn die Jacke hinten komisch absteht so wie bei einigen Bildern hier, dann muss sie etwas höher gezogen und der Kragen mehr umgeschlagen werden. Diese Jacke hingegen finde ich zwar entzückend, aber das Ringteil etwas zu klein gewählt. Da es im Schnitt keine Schulternähte gibt - und wie gesagt keinen Prototypen bei Cake Patterns selbst - ist es nicht so einfach zu entscheiden, wie die Jacke eigentlich "richtig" getragen werden soll. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass die Kragenansatznaht oben (also die Naht, wo der Ring auf das Mittelteil trifft), direkt im Nacken sitzen muss, und der Kragen ziemlich breit umgeschlagen wird. Die Außenkante des Kragens habe ich übrigens mit dreigeteiltem Zickzack abgesteppt. 


Für die Bilder habe ich Carmine nur einmal schnell übergeworfen - es fehlt noch ein richtiger Verschluss, da mir die großen Druckknöpfe ausgegangen sind. Und eine Tendenz ist leider auch schon sichtbar: mein Strickstoff leiert. Beim ersten Anprobieren saß die Quernaht zwischen Mittelteil und Ring nämlich noch in Höhe der BH-Unterkante, wie es sein soll, auf den Fotos (zweites Anprobieren) schon 5 cm darunter. Mal sehen, wo das noch endet und ob das Material beim Waschen wieder zusammenschnurrt. Ein formstabilerer Stoff, zum Beispiel Romanit, fester Interlock oder Sweatshirtstoff wäre für Carmine günstiger (aber das gilt ja eigentlich immer, mir fällt spontan jedenfalls kein Schnitt ein, bei dem ein ausleiernder Stoff von Vorteil ist).

Das Schnittmuster enthält einige Vorschläge, wie man durch zwei oder vier Teilungsnähte beim Ringteil Stoff sparen oder bei gestreiftem Jersey interessante Streifeneffekte erzielen kann. Wenn man den Kragen einlagig zuschneidet und am Rand mit einer elastischen Wolltresse einfasst oder einfach offenkantig lässt, ließe sich Carmine sicher auch aus Walk oder aus Fleece nähen. Aus dünnem Material ist das Jäckchen hingegen eine ideale Ergänzung zum Sommerkleid. Die zweite Variante des Schnittmusters ist ein kleines, knappes Bolerojäckchen mit kurzen Ärmeln, das aus dem Mittelteil besteht, an dessen oberer Kante ein Kragen angenäht wird. Die Schnittteile sind klein, so dass man diese Jacke gut aus Jerseyresten herstellen kann. Ich habe für so ein schulterbedeckendes Jäckchen keine Verwendung, die große Variante werde ich aber sicher noch einmal nähen, dann vielleicht aus dünnem Sweatshirtstoff.

Dienstag, 22. April 2014

Ein Alabama-Chanin-Projekt nach "Alabama Studio Sewing + Design"


Vier alte T-Shirts, eine Rolle Handquiltgarn und etwas Stofffarbe sind - wenn alles so klappt, wie ich mir das vorstelle - das Material für ein Handnähprojekt nach Alabama Chanin, des Stoffspielerei-Themas im Mai, das Griselda vorgeschlagen hatte. Ich möchte hier ab und zu den Fortschritt dokumentieren, denn mein Vorhaben wird Ende Mai wahrscheinlich noch nicht abgeschlossen sein.


Mit den DIY-Techniken im Stil von Alabama Chanin beschäftige ich mich schon seit einigen Jahren, seitdem ich das erste Mal aus Zufall auf die Webseite der Firma stieß und vollkommen verzückt die exquisiten handgearbeiteten Textilien im Onlineshop durchstöberte. Alles ist Stich für Stich handgenäht, bestickt, appliziert, gequiltet. Produziert werden die Kleidungsstücke in Florence, einem Städtchen im Nordwesten Alabamas, dem Heimatort der Firmengründerin Natalie Chanin. Die Textilherstellung, insbesondere Baumwollanbau und -verarbeitung, war einer der Hauptindustriezweige Alabamas - wie man weiß, ist von der amerikanischen Textilindustrie nicht mehr viel übrig geblieben. Natalie Chanin knüpfte mit ihrer Firma an diese Textiltraditionen an und wurde zum Arbeitgeber in einer Gegend, in der es sonst nicht viele Beschäftigungsmöglichkeiten gibt. In den ersten Jahren arbeitete sie vor allem mit gebrauchten Materialien. Die ersten Kleidungsstücke, die auf der Webseite zu sehen waren, bestanden aus recycelten Baumwolltshirts mit verwaschenen Aufdrucken, die umgeschneidert und durch Stickereien und Applikationen in etwas Besonderes verwandelt wurden.

Mittlerweile verwendet Alabama Chanin eigens hergestellten Bio-Baumwolljersey aus den USA. Alle Materialien, also auch Garne, Perlen, Textilfarben, Schablonen, werden ebenfalls über die Webseite angeboten, und die Muster, Schnitte und Herstellungsweisen der Kleidung werden in mittlerweile drei Büchern Schritt für Schritt erklärt. Die Fabrik in Florence ist zu einem Veranstaltungszentrum geworden, in dem Nähworkshops stattfinden, Natalie Chanin spricht oft auf Konferenzen, in denen es um nachhaltige Textilproduktion und faire Beschäftigung geht.     


Die Alabama-Chanin-Bücher - ich kaufte mir nach langem Überlegen den dritten Band, Alabama Studio Sewing + Design - sind wunderschön fotografiert und sehr sorgfältig gestaltet, es ist eine Freude, einfach nur zu blättern und in den Detailfotos der Stoffe zu schwelgen. Selbst wenn man nie vorhätte, irgendetwas davon nachzuarbeiten, wäre das Geld für das Buch gut angelegt. Die Qualität der Texte und der Anleitungen steht den Bildern aber in nichts nach. Schnittmuster für ein Tshirt mit Variationen (lange/kurze Ärmel, ärmellos, Bolero) und ein Kleid aus vier Bahnen (in verschiedenen Längen, Varianten: trägerloses Top, kurzer, mittellanger und langer Rock) sowie für einen Hut sind auf zwei beigelegten Bögen aus dickem Papier gedruckt. Die Vorlagen für die Musterschablonen können aus dem Buch per Fotokopierer vergrößert werden, man kann sie aber sogar auch in Originalgröße von der Webseite herunterladen.

Es ist selten, dass ein Unternehmen so die Geheimnisse seiner Produkte, bis hin zu den Designvorlagen weitergibt - bei Alabama Chanin gehört diese Transparenz zum Gesamtkonzept: Zum einen ist "education", also unter anderem die Weitergabe handwerklichen Wissens, eines der Anliegen Natalie Chanins. Zum anderen wird dem textilen Laien, der womöglich noch nie eine Nähnadel in der Hand hatte, durch den Einblick in die Produktionsschritte verdeutlicht, wie die Preise der Produkte zustandekommen, ohne dass man detailliert über Kalkulationen reden müsste. Wer einmal verstanden hat, dass bei den über und über applizierten Kleidern, Röcken und Jacken eine per Schablone gedruckte Vorlage von Hand Motiv für Motiv nachgenäht und ausgeschnitten wird, bekommt einen Eindruck von der reinen Arbeitszeit, die für die Herstellung eines solchen Kunstwerks nöig ist und ist sicherlich eher geneigt, einen vierstelligen Betrag dafür auszugeben und die Kleidung entsprechend wertzuschätzen. Zugleich ist dieser Ansatz ein demokratischer: wer keine vierstelligen Beträge ausgeben kann, kann sich mit genügend Geschick und Ausdauer sein Designermodell selbst herstellen.    


Ich möchte diesmal ein größeres Stück in Angriff nehmen, und zwar einen knielangen Vierbahnenrock. Eingedenk der Recyclingtradition bei Alabama Chanin verwende ich den Jersey von vier alten Tshirts, deren Material noch völlig intakt ist, bei denen aber die Bündchen sehr schnell durchscheuerten. Bei meinen Versuchen bis jetzt bin ich zu dem Schluss gekommen, dass man am besten reinen Baumwoll-Singlejersey verwendet, und dass die etwas geringere Elastizität mehrfach gewaschenen Jerseys eher von Vorteil ist. Liselotte hatte in ihrer Alabama-Chanin-Phase letztes Jahr sogar einmal den Originalstoff bestellt und ihn als eher labberig und nicht besonders elastisch beschrieben. Die Rockteile habe ich zugeschnitten, Garn besorgt, jetzt geht es darum, eine Schablone anzufertigen und auf den Stoff zu bringen. Damit geht es dann auch beim nächsten Mal weiter.

Samstag, 19. April 2014

Wochenrückblick: Ostern, Eier, Ausflugstipps


Der Frühling ist ausgebrochen! Der Neuköllner Schifffahrtskanal verwandelt sich wie jedes Jahr in eine grüne Hölle, und wie jedes Jahr machte ich ungefähr 300 Bilder von den japanischen Zierkirschenbäumen auf dem Mauerstreifen. Ich zeige euch aber nur eines und hinterlasse euch noch schnell die

Selbermach-Links der Woche:

 

Eier nähen statt Eier suchen! Passend zu Ostern bietet Constance von Santa-Lucia-Patterns ein kostenloses Schnittmuster und eine Anleitung für Bügeleier an. Auf der gewölbten Fläche des Eis lassen sich gebogene Nähte und Abnäher viel leichter ausbügeln als auf einem geraden Bügelbrett.  Ich wollte mir sowas schon sehr, sehr lange nähen und frage mich gerade, warum ich das immer noch nicht gemacht habe. Sägemehl gibt es übrigens als Kleintierstreu in jeder Drogerie.

Mode im Nationalsozialismus klingt zunächst wie ein Paradox, denkt man bei dieser Zeit doch vor allem an Uniformen und kriegsbedingte Not. Die Ausstellung Glanz und Grauen im LVR-Industriemuseum in Euskirchen-Kuchenheim läuft noch eine Woche und zeichnet ein differenzierteres Bild - sehr lesenswert auch die Ausstellungsbesprechung in der Jungle World.

Das Industriemuseum ist aber bestimmt auch nach dieser Ausstellung einen Abstecher wert: es  befindet sich in einer alten Tuchfabrik, die in den 1960er Jahren stillgelegt wurde und die Zeiten fast unverändert überdauerte. Solche Ausflugsziele sammelt Lily auf der Ausflugskarte textiles Handwerk, die aber noch viele Einträge mehr gebrauchen kann. Ihr könnt mithelfen, indem ihr Lily Ausflugstipps übermittelt.

Genießt die freien Tage!

Dienstag, 15. April 2014

Who made your clothes? Fashion Revolution Day

Logo: fashionrevolution.org
Am 24. April jährt sich zum ersten Mal der Einsturz des Rana-Plaza-Fabrikgebäudes in Dhaka, Bangladesch, bei dem mehr als tausend Textilarbeiterinnen und Textilarbeiter starben. Das Erschrecken über dieses unvorstellbare Unglück währte nur kurz: Nachdem im Mai 2013 eine Reihe von Textilfirmen ein Abkommen zur Feuer- und Gebäudesicherheit abschloss, dessen Überprüfbarkeit allerdings bezweifelt wird, verschwand das Thema weitgehend aus den Medien. Die Entschädigung der Überlebenden und der Familien der Opfer kommt nur schleppend voran, denn viele europäische und amerikanische Bekleidungsfirmen, Auftraggeber der Textilbetriebe in Dhaka, zahlten noch nicht in den Entschädigungsfonds ein. Wir reden hier über ein Volumen des Fonds von 40 Millionen Dollar - zum Vergleich: allein der spanische Textilkonzern Inditex (Zara, Massimo Dutti), der im Rana Plaza produzieren ließ, wies für 2012 einen Gewinn von mehr als zwei Milliarden Euro aus, in diesem Jahr werden allein 1,5 Milliarden Euro an die Anteilseigner ausgeschüttet.

Am 24. April, dem Jahrestag des Unglücks, soll an die unzähligen Menschen erinnert werden, die an der Herstellung der Kleidung beteiligt sind, die wir tragen, und die oft unter erbärmlichen Bedingungen in der Textilindustrie arbeiten: an die Menschen, die Baumwolle anbauen und ernten, die spinnen und färben, weben und nähen. Unter dem Hashtag #InsideOut bei twitter oder facebook gepostete Outfitfotos, bei denen die Kleider mit den Etiketten nach außen getragen werden, verbunden mit der Frage "Who made your clothes?" sollen das Nachdenken über die Herstellungsbedingungen unserer Kleider und den gedankenlosen Textilkonsum in Gang setzen. Ein Textilkonsum, an dem auch Selbermacherinnen beteiligt sind - wenn sie auch die letzten Stufen des Produktionsprozesses selbst ausführen. Die Hoffnung ist, dass mit der Geste #InsideOut eine weltweite Bewegung entsteht, die einen Wandel in der Mode- und Textilindustrie bewirken kann - einen Wandel hin zu einem Wirtschaftszweig, in dem der Gewinn nicht auf Kosten von Menschen, Umwelt und Kreativität erzielt wird.     


Links:
Fashionrevolution.org, Informationen über Veranstaltungen in Deutschland zu Zeit nur auf der dt. Facebookseite. 

Kurz gefasst erklärt: Warum unsere derzeitige Bekleidungsproduktion und unser Textilkonsum ein globales Problem sind.

Freitag, 11. April 2014

Seit einem Jahr in Kreuzberg: 1000Stoff in der Muskauer Straße


Aus unerfindlichen Gründen ist Kreuzberg bisher nicht besonders gut mit Stoffläden ausgestattet. Liegt es an der Nähe zum Maybachmarkt, interessiert sich die typische Kreuzbergerin mehr fürs Ausgehen als fürs Selbermachen, oder ist der Wandel gerade in den früher etwas verödeten Kiezen im östlichen Kreuzberg noch zu frisch? 


1000Stoff hat sich vor etwas über einem Jahr in dieser Gegend angesiedelt, nur ein paar Schritte von der neu belebten Markthalle Neun entfernt. Fast genauso lange hatte ich eine Postkarte des Ladens an der Pinnwand hängen, aber zufällig verschlug es mich  immer nur Sonntags oder am Abend in die Nähe. Es brauchte erst eine Mail von Lara, der Ladenbesitzerin, dass ich mich einmal gezielt zu den Ladenöffnungszeiten auf den Weg machte. Am Montag Vormittag herrscht ein reges Kommen und Gehen: Nachbarn präsentieren frische Babys, Stammkundinnen sagen Hallo, im hinteren Teil des Ladens werden Kinderhosen genäht.


Lara ist von Hause aus Architektin und nähte im Prinzip schon immer. Wie so viele entdeckte sie das Selbermachen nach der Geburt ihrer Kinder wieder neu, entdeckte die Welt der bunten Patchworkstoffe und entschloss sich zur Selbständigkeit, weil die Jobpendelei mit zwei kleinen Kindern kein Dauerzustand werden konnte. In ihrem Laden spezialisierte sie sich dann auch auf die bunten amerikanischen Designerstoffe wie Amy Butler und Riley Blake und die schönen japanischen Druckstoffe von Kokka und Echino. Als großer Fan von graphischen Mustern sucht sie die Stoffe so aus, dass das meiste auch für Erwachsene tragbar ist. Neben einer kleinen Auswahl an Standardstoffen wie Jeans, Cord und einfarbigen Jersey gibt es Schnittmuster von Minikrea, Knöpfe, Bänder und einige fertig genähte Einzelstücke, zum Beispiel Taschen, Kissenhüllen und Kinderkleidung.  


Im zweiten Raum des Ladens - charmant kreuzbergerisch mit verwittertem Stuck an der Decke - finden die Nähkurse statt, bei denen im kleinen Kreis und mit fachkundiger Hilfe an einem eigenen Projekt gewerkelt werden kann. Die Kindernähkurse und die Nähgeburtstage sind Lara zufolge besonders beliebt, so dass wir uns um den Selbermacher-Nachwuchs keine Sorgen machen müssen. Vielleicht wird aus Kreuzberg ja doch noch ein Selbermacher-Dorado. 

1000Stoff
Muskauer Str. 49
10997 Berlin

Geöffnet: MO-FR 11-18.30 Uhr, SA 11-16.00 Uhr

Haltstelle: Görlitzer Bahnhof (U1)

www.1000Stoff.de

Mittwoch, 9. April 2014

Elisalex oder: was macht den Lemming zum Lemming?

Warum wird ein Schnittmuster erfolgreich? Wer Nähblogs verfolgt, dem ist sicher das Phänomen der Lemming-Schnitte nicht entgangen. Ein Schnittmuster wird von einer Bloggerin „entdeckt“, genäht, gezeigt, die Begeisterung ist groß, der Schnitt taucht landauf, landab in den Blogs in immer mehr Varianten auf, was noch mehr Verlangen erzeugt, bis die lemminghafte Begeisterung irgendwann abflaut, weil nun wirklich jede halbwegs vernetzte Selbermacherin den Schnitt schon umgesetzt hat, oder weil das nächste, noch begehrenswertere Schnittmuster den Plan betritt.


Butterick 5951 war so ein Fall, davor war es das Knip-Kleid 17 mit den gewickelten Bändern, das schräg geschnittene Wasserfallkleid aus Burda 10/2012, davor das Jersey-Knotenkleid Onion 2022, davor gab es Wellen der Römö- und Amy-Begeisterung, ganz zu schweigen von den Kinderkleidungsmoden, mit denen alles anfing.


Welche Voraussetzungen muss ein Schnittmuster erfüllen, um den typischen Lemming-Sog auszulösen? Mir scheint, der Schnitt darf zum einen nicht allzu kompliziert sein. Ein Hemdblusenkleid mit zehn, zwölf oder mehr Schnittteilen hat nur geringe Chancen im Beliebtheitswettbewerb, im Gegensatz zu Butterick 5951 mit vier Schnittteilen oder dem Burda-Wasserfallkleid mit drei Schnitteilen. Es ist kein Zufall, dass Jacken und Mäntelschnitte bisher nicht zu Lemmingen geworden sind: den Robson-Mantel von Sewaholic finden bestimmt viele toll, wirklich nachnähen werden ihn nur wenige.

Das Oberteil ist mit dünnem Baumwollstoff gefüttert, das Rockteil mit Futtertaft

Nicht ganz unwichtig sind sicher auch die Vernetzung und die Präsentation: Je besser das entdeckende Blog vernetzt ist, je schöner und den Mund wässrig machender die Fotos, desto schneller nimmt der Lemming an Fahrt auf. Aber es bleibt immer auch ein unerklärlicher Rest: Der Schnitt muss einen Nerv treffen, die Phantasie in Gang setzen, eine Lücke des imaginären Kopfkleiderschrankes ausfüllen.

Den Reißverschluss habe ich sichtbar außen aufgenäht

Was haben diese Überlegungen mit dem Kleid auf den Bildern zu tun? Bei dem Kleid handelt es sich um Elisalex von by hand London, dem Lemmingschnitt des vergangenen Jahres in Großbritannien. Ein britischer Superlemming sozusagen, der in Deutschland aber nur als kleine, unbedeutende Wühlmaus angekommen ist. Interessant, oder? Da geht so ein Schnitt auf der Insel durch alle Blogs und verbreitet sich bis nach Australien, und bei uns gibt es ein paar schöne Umsetzungen von Dodo, Yvonet und Bunte Kleider, einige Versuche mit nicht so zufriedenstellenden Ergebnissen, und damit verschwindet der Schnitt in der Versenkung. Kein Lemming-Hype weit und breit.


Woran liegt das wohl? Konnte die Geschichte von Charlotte, Elisalex und Victoria, den drei Gründerinnen von by hand London bei uns aufgrund der Sprachbarriere nicht so recht zünden? Oder fehlt den deutschen Nähbloggerinnen der Modemut, um sich für die hüftbetonte Silhouette des Elisalex-Kleides zu begeistern? Ist der Kopfkleiderschrank auf den Britischen Inseln anders bestückt als unserer, bunter und verwegener?


Ich denke häufig, dass deutsche Nähbloggerinnen im großen und ganzen recht konservativ und brav nähen (ich auch!), wenn man sich im Vergleich britische Blogs wie Cyberdaze anschaut, die sich bei Voguepatterns immer die avantgardistischsten Schnitte aussucht. Oder Dolly Clackett mit ihrer Vorliebe für ungewöhnliche Musterstoffe, oder Lladybird mit den wechselnden Haarfarben. Näht sich die deutsche Nähbloggerin lieber etwas Solides für alle Lebenslagen, während die britische Nähbloggerin ihre verrückten Klamottenträume verwirklicht?


Ein einfarbiges Elisalex ist nicht verrückt, nur sollte frau ihren Frieden mit ihrer unteren Körperhälfte gemacht haben, dafür sieht der Oberkörper durch den Tulpenrock sehr schmal aus. Ich habe das Elisalex-Kleid schon im Dezember aus einer Art dunkelblau-schwarzem Cord von Philea genäht und es einige Male getragen, unter anderem an meinem Geburtstag und mit böhmischen Strass zu Silvester, und ich mag es: ich mag die Schnittform, die übertrieben breite Hüfte, ich mag, dass es nicht auf die konventionelle Art ein hübsches Kleid ist - aber das Elisalex ist für mich kein Alltagskleid.


Bei Alltagskleidern vergesse ich nach kurzer Zeit, was ich gerade trage, sie funktionieren einfach, und ich kann mich mit anderen Dingen beschäftigen. Das Kleid wird weggeblendet, während ich lebe. Beim Elisalex-Kleid merke ich die ganze Zeit, was ich trage, der große Rückenausschnitt schummelt sich immer ins Bewusstsein, der enge Saum ist hinderlich, wenn ich mal auf einen Stuhl steigen muss oder mich gemütlich aufs Sofa schmeißen will. Aber: das Gefühl des Besonderen kann bei besonderen Gelegenheiten eben genau richtig sein. Ich denke, ich habe mir mit Elisalex ein wunderbares, nerdig angehauchtes Anlasskleid genäht  und damit eine Lücke in meinem Kopfkleiderschrank geschlossen, von der ich vorher noch nicht einmal wusste, dass sie da ist und die ich mit noch so viel bewusster Überlegung nicht hätte schließen können. Und das verbuche ich als großen Erfolg.  

Die Fakten zum Schnitt:


Schnittmuster: Elisalex von by hand London. Der Schnitt ist auf Seidenpapier aufgedruckt, die englische Nähanleitung mit gezeichneten Bildern steht in einem separaten kleinen Heft, beides steckt in einem schick bedruckten Pappschuber. Der Schnitt kam mir im Prinzip technisch ausgereift vor, an den Prinzessnähten im Oberteil gibt es pro Naht zwei Passzeichen, an der Armkugel drei Passzeichen. Die Schnittteile enthalten bereits 1,5 cm Nahtzugabe.

Rockteil kürzen (Klick vergrlößert das Bild)
Änderungen: Ein großes Problem des Schnittes ist, dass das Schnittmuster nicht dem Kleid entspricht, das man auf den meisten Fotos des Modells sieht, worüber Siebenhundertsachen im Februar schon ausführlich geschrieben hatte. Nach Schnittmuster ist der Rock etwa wadenlang, bei Dodo sieht man die Originallänge. Um den Rock auf Knielänge zu kürzen und gleichzeitig die Tulpenform zu erhalten, faltete ich bei den Schnittteilen an fünf Stellen regelmäßig verteilt etwa 3 cm weg. Yvonet schrieb hier und hier über ihre Änderungen. 

Ich verlängerte außerdem das Oberteil um 2 cm, bei mir eine häufige Änderung. Die Taille soll beim Elisalex-Kleid ein bißchen über der natürlichen Taille sitzen.

Nähanleitung: Das Anleitungsheft sieht zwar auf den ersten Blick sehr ausführlich aus, einige wichtige Details sind jedoch gut versteckt oder werden nicht erklärt.

Ich rätselte herum, warum auf der Verpackung ein 65 cm-Reißverschluss angegeben ist, aber in der Anleitung auf einmal ein teilbarer Reißverschluss verwendet wird, der in den Zeichnungen vom Ausschnitt bis zum Saum des Kleides reicht. Im Sew-along auf der Webseite wird es klar: Setzt man in die hintere Mitte einen teilbaren Reißverschluss ein, kann man Elisalex als Wendekleid nähen. Aber natürlich reicht ein 65-cm-Reißverschluss nicht bis zum Kleidsaum, es sei denn man kürzt das Kleid so weit, dass es nur knapp über den Po reicht.

Das ist alles in der Anleitung also nicht sonderlich durchdacht. Am Kleid gemessen würde ich sagen: plant einen 40-cm-Reißer ein, wenn ihr das Kleid mit dem originalen tiefen Rückenausschnitt näht, wenn ihr den Rückenausschnitt höher setzt, sollte der Reißverschluss entsprechend länger sein. Ich nähte den Reißverschluss von außen sichtbar auf, weil mir der Kontrast des Metallreißers zum Stoff an dem ansonsten schlichten Kleid gut gefiel.

Das Oberteil ist wie in der Anleitung angegeben mit dünnem Baumwollstoff gefüttert. Ein Futter für das Rockteil ist nicht vorgesehen, ich fütterte den Rock aber mit glitschigem Futtertaft, den ich gemeinsam mit dem Oberstoff verarbeitete. Die Kellerfalten sind also gemeinsam in Oberstoff und Futter eingelegt, die dabei wie eine Lage behandelt wurden.  

Noch ein Wort zur Stoffwahl: ich glaube ein fester Stoff mit ordentlich Stand ist beim Elisalex-Nähen der wichtigste Punkt, wenn man sich für den Tulpenrock entscheidet. Aus weicherem Stoff funktioniert die Rockform nicht, dann fallen die Falten unansehnlich zusammen. Im Netz gibt es aber viele (britische) Beispiele, bei denen das Oberteil mit einer anderen Rockform, zum Beispiel einem halben Teller kombiniert wurde - dann geht auch ein fließender Stoff.

Dienstag, 8. April 2014

Das Nähbloggerinnentreffen in Bielefeld

Bielefeld, die Stadt der Nähmaschinen und des Leinens - gibt es einen besseren Ort für ein Treffen von Nähbloggerinnen? Am Wochenende fanden sich über 20 Nähbloggerinnen und solche, die es vielleicht bald werden, in der unbekannten kleinen Großstadt zwischen Bremen, Hannover und dem Ruhrgebiet ein. Ich hatte ja vorher überhaupt keine Vorstellung von Bielefeld und bin sehr positiv überrascht am Sonntag wieder weggefahren. Unsere Gastgeberinnen Frau Knopf, Mema, Das Büro für schöne Dinge und Bunte Kleider hatten schöne Cafés und Kneipen ausgesucht, gutes Essen bestellt, ein Besichtigungsprogramm und Besuche im Stoff-Fabrikverkauf organisiert. Vielen Dank, ihr vier!

Ich war mit den Berlinerinnen Yvonet, Kreuzberger Nähte und Santa Lucia Patterns unterwegs, und als wir am Samstag Vormittag in Bielefeld ankamen, stand am Bahnhof schon ein Empfangskomitee und es ging gleich weiter nach Verl zum Outlet von Marc Aurel. 


Die Stoffecke ist klein, aber sehr, sehr fein. Die Winterstoffe kosteten nur noch 3€/Meter, alles andere zwischen 6 und 10€, dazu gabs Körbe mit Reißverschlüssen ab 50 Cent, Knöpfe, Bänder und Schulterpolster. Ich fürchte wenn man einmal die Gelegenheit hatte, in Fabrikverkäufen Stoffe zu begutachten, ist man für Kaufhausware für alle Zeiten verdorben. In Verl gabs zum Beispiel tolle Digitaldrucke auf Seide oder feiner Baumwolle, die in den Schaufenstern als Kleidungsstücke schon überall zu sehen sind. Die pastelligen Fabergé-Eier auf weißem Grund landeten bei Bunte Kleider und Max Lau, bei Frau Knopf fand ein Stoff mit Blumen wie aus einem holländischen Stilleben ein neues Zuhause.


Nachmittags besichtigten wir die Bielefelder Wäschefabrik, eine ehemalige Näherei für Bett- und Tischwäsche, die jahrzehntelang unverändert vor sich hinschlummerte. Man möchte kaum glauben, dass das alles echt ist und keine sorgfältig arrangierte Filmkulisse. Bei Frau Knopf gibt es dazu noch viel mehr Fotos.


Auf dem Weg zum Abendessen in der Tapasbar und dem Absacker in einer Dachgartenbar konnten wir noch die Schaufensterauslage eines Designermodegeschäfts auf Nachnähbarkeit checken, fachsimpeln, uns über ungebügelte Röcke wundern und feststellen, dass Prada fast 900 € für ein simples Jerseykleid mit rundem Ausschnitt, langen Ärmeln und glockigem Rock verlangt, das jeder Nähnerd an einem Nachmittag nachnähen könnte.    


Nach ein bißchen wenig Schlaf trafen wir uns am Sonntag zu einem ausgedehnten Frühstück mit Stoff-und Schnittmustertauschtisch. Wir Berlinerinnen fuhren am frühen Nachmittag wieder nach Hause. Ich habe mich sehr gefreut, euch alle zu treffen und mich mit fast allen länger und intensiver unterhalten zu können, als das bei einem Riesentreffen möglich ist. Ein großer Dank an die Organisatorinnen, die einfach das perfekte Nähnerdprogramm auf die Beine gestellt haben!

Donnerstag, 3. April 2014

Wochenrückblick: Burda-Vorschau, Tage des Kunsthandwerks und Taschengeschichte


Wenn man schon etwas länger bloggt, ist es toll, dass man immer nachschauen kann, was man vor einem Jahr um diese Zeit so getrieben hat. Oder genäht hat. Oder gestrickt hat. Eine gewisse handarbeitstechnische Unlust scheint mit dem Frühjahr einherzugehen, das war schon 2013 so.

Ich kenne das schon: ich bin unfähig, mir im Voraus zu überlegen, was ich im Sommer anziehen möchte. An den ersten richtig warmen Tagen - voraussichtlich am Wochenende - werde ich in meinen schwarzen Strumpfhosen herumlaufen und mir deplatziert vorkommen. Wie jedes Jahr werde ich über hautfarbene Strumpfhosen nachdenken, sie aufgrund von Assoziationen (Weißwürste, Alice im Wunderland, Katharina Witt) verwerfen und mich fragen, wie ich mich am besten in die strumpfhosenlose Zeit hinüberrette. Und wenn es dann richtig Sommer wird, werde ich keine Oberteile haben.

Hilfe zur Kleiderplanung ist da draußen ja reichlich vorhanden, die Serie "Mein Kleiderschrank und ich" bei Tessa habe ich zum Beispiel sehr gerne gelesen, und im Colette-Blog läuft gerade eine Artikelserie zum gleichen Thema. Auch theoretisch ist mir die Abfolge nachdenken - ausmisten - Vorhandenes ergänzen vollkommen einsichtig. Aber die Praxis! Mein Kleiderschrank spricht nicht zu mir, jedenfalls nicht jetzt, der Kopfkleiderschrank bleibt leer, mich kann gerade gar nichts so recht begeistern.

Aber wenigstens das Gärtnern macht Freude. Ich bepflanze ja seit einigen Jahren als Guerilla-Gärtnerin die Baumscheibe des Straßenbaums vor dem Haus, also die freie Erde rund um den Baum. Die Anfänge waren mühsam: Im ersten Jahr war das eine betonharte Fläche, in die ich erstmal einen Sack Blumenerde einarbeitete, ohne wahrnehmbaren Effekt übrigens. Die übereifrige Straßenreinigung harkte meine Pflänzchen weg, ließ aber die Hundescheiße liegen. Andere Pflanzen ergaben sich in kürzster Zeit dem Hundeurin. Mal stand ein kaputter Staubsauger in der Baumscheibe, mal ein halbes Dutzend Schnapsfläschchen. Mal rupfte jemand die blühenden Tulpen mit Stumpf und Stiel ab, dann kam ein Winter mit Temperaturen weit unter Null, ohne Schnee - Kahlfrost. Dieses Jahr habe ich das erste Mal das Gefühl: das wird was! Durch den milden Winter sind die Pflanzen kaum heruntergefroren und die Erde scheint sich belebt zu haben. Letzte Woche pflanzte ich ein paar Hornveilchen und fand in jedem frisch gegrabenen Pflanzloch einen richtig fetten Regenwurm. Zum Vergleich: so sah die Baumscheibe im April 2013 aus.       

Und sonst so? Die Selbermachlinks der Woche:

Die Vorschau für Burdastyle 5/2014 gibts seit einer Woche. Interessant finde ich - so weit man etwas erkennen kann - das Shirt mit dem Knoten am Ausschnitt von Bild 16 und die blaue Bluse von Bild 19. Dann kommen ein paar sehr seltsame Sachen (Federpuschelarmbänder? Lederfransen? Gladiatorentops?), das gestreifte Sommerkleid von Bild 37 könnte auch ganz schön sein, auch wenn ich den Eindruck nicht loswerde, dass es aus Ikea-Dekostoff genäht wurde. Aber das lässt sich eigentlich immer erst beurteilen, wenn das Heft und die Schnittzeichnungen da sind.

Die Tage des Kunsthandwerks gibt es in anderen europäischen Ländern schon länger, dieses Jahr ist zum ersten Mal auch Berlin dabei. Vom 4. bis zum 6. April öffnen zahlreiche Kunsthandwerkerinnen und -handwerker ihre Ateliers und Werkstätten und lassen sich über die Schulter und hinter die Kulissen gucken, das vollständige Programm findet sich hier.

Ich vergesse immer wieder, was für informative und unterhaltsame Artikel das Londoner Victoria and Albert-Museum auf seiner Webseite über seine Sammlungen veröffentlicht, wie zum Beispiel diese  Geschichte der Taschen vom 17. bis zum 19. Jahrhundert. Wahrscheinlich könnte man dort tagelang über Textilien und Mode lesen, warum tue ich das eigentlich so selten?

Was macht eigentlich so eine Modedesignerin? Annette Rufeger erzählt in dem neuen Blog Was machen die da? von ihrem Beruf: "Am allermeisten Spaß macht es, wenn du ein neues Teil genäht hast. Wenn es fertig ist und du siehst: supertolle Hose. Das ist der Hammer!" (via @FrauCrafteln)

Dienstag, 1. April 2014

Frühlingsjäckchen, zweiter Zwischenstand: Der Zweifel strickt mit


Hatte ich mir nicht geschworen, dieses Mal "ordentlich" zu stricken? Meine Maschenprobe zu waschen, Schulterabnahmen und Ausschnitt frühzeitig zu berechnen und meinen Strickplan lesbar und in ganzen Sätzen aufzuschreiben? Stattdessen gebe ich hier ein schlechtes Beispiel ab, denn ich habe - wie immer - ein Rückenteil, ein halbes Vorderteil und einen vollgekritzelten Zettel. Das vorige Knitalong-Treffen habe ich schwänzen müssen, weil ich das Garn immer noch nicht besorgt hatte, und so stricke ich erst seit letztem Mittwoch den anderen Knitalongerinnen hinterher.

Mein wird-schon-passen-Optimismus ist dieses Mal allerdings ziemlich verhalten: die Teile sehen verdammt klein aus. Auch die Maschenprobe beunruhigt mich: ich verstricke das Garn (Cotton-Merino von drops) mit Nadelstärke 3,5 und komme bei glatt rechts auf 19 Maschen auf 10 cm. Die Garnbanderole gibt 21 Maschen auf 10 cm mit Nadel 4 an - wie soll das gehen? Sylvia verstrickte das gleiche Garn sogar mit 3er-Nadeln, und witzigerweise sogar mit dem gleichen Muster wie ich. Ihre Jacke ist sogar schon fertig und ich stricke und frage mich: mache ich gerade alles falsch? 

Der Zwischenstand der Mitstrickerinnen wird im Me-made-Mittwoch-Blog gesammelt. Manche sind sogar schon mit der Zweitjacke beschäftigt, andere fangen jetzt noch einmal von vorne an, das verspricht so oder so ein spannendes Finale am 20. April, und auch ich schließe nicht aus, dass ich dann fertig, aber fertig zum Ribbeln bin, weil die Jacke nicht passt.