Donnerstag, 31. Juli 2014

Mehr Strickjacken braucht der Schrank! (I)

Also ich kenne ja Leute, die würden den Sinn dieser Überschrift stark bezweifeln und die Umformulierung in "Mehr Strickjacken will der Schrank" vorschlagen, stricke ich doch im Grunde kaum etwas anderes als Strickjacken, selten mal einen Schal und vielleicht ein Paar Handschuhe im Jahr, und an Strickjacken herrscht hier kein Mangel. Aber ich mag Knit-alongs, also virtuelles gemeinsames Stricken sehr gerne, weil ich dabei immer auf so viele neue Ideen für Strickjacken komme (genug ist nicht genug) und schon unheimlich viel zur Stricktechnik gelernt habe, deshalb möchte ich im Rahmen von Chrissies Strickjacken-Knit-along auch zeigen, woran ich gerade stricke.


Projekt Nummer eins wird eine knapp hüftlange Jacke aus waldgrüner Cotton Merino von drops, nach bewährter Strickschlampenmethode berechnet. Das Zickzackmuster besteht nur aus rechten und linken Maschen, glatt rechte Zacken und Zacken im Perlmuster wechseln sich ab.

Die Vorderteile bekommen eingestrickte Taschen, dazu werden die Maschen für den Tascheneingriff (hier: 20) stillgelegt und in der folgenden Reihe wieder angeschlagen. Später nimmt man die stillgelegten Maschen wieder auf, schlägt an Anfang und am Ende jeweils eine Masche zusätzlich an und strickt ein Bündchen. Für die Rückseite der Taschen werden aus den neu angeschlagenen Maschen oberhalb des Schlitzes Maschen aufgenommen und die Taschenbeutel glatt rechts nach unten gestrickt. Zum Schluss soll man die schmalen Seiten der Bündchen und die Taschenbeutel unsichtbar festnähen. Ich bin selbst gespannt, denn das werden meine ersten Taschen in einem Strickstück. Möglicherweise habe ich sie ungünstig platziert, denn wie man sieht ist zwischen Tascheneingriff und unterem Bündchen nicht besonders viel Platz. Aber zur Not wird eben geribbelt.

Diese Jacke ist bis auf den Rest des zweiten Vorderteils, Blenden, Kragen und Taschen fertig, allerdings habe ich keine Wolle mehr. Morgen werde ich noch zwei Knäuel besorgen und hoffen, dass die Färbung nicht abweicht. Sonst: aufribbeln. No risk, no fun.       



Mit Projekt Nummer zwei begann ich, weil mir bei Nummer eins die Wolle ausging. Es wird der Takoma-Cardigan nach einer Knitty-Anleitung, gestrickt aus Karisma von drops in dunkelblau (Farbe 17), senfgelb (52) und grau-grün (69). Da Karisma dünner ist als das Originalgarn, stricke ich mit der Maschenzahl von Größe L, um schließlich Größe M zu erhalten. Die Passform sollte bei dieser großzügigen Opa-Strickjacke umproblematisch sein - die Anleitung empfiehlt "at least 4 inches positive ease", also eine Bequemlichkeitszugabe von mindestens 10 cm.  

Karisma verstrickt sich sehr flott, das Bündchen besteht aus einem Knäuel und war nach drei oder vier Stunden fertig, und ich aufgeschmissen: ich saß nämlich ohne weitere Wolle in einem Bus auf dem Weg nach München und hatte geplant, Hin- und Rückfahrt strickend zu verbringen. Noch bin ich froh, dass ich mich zu diesem Projekt durchgerungen habe, denn ich wollte schon sehr lange einen Strickmantel haben (haben, nicht unbedingt stricken). Mal sehen ob mir das Ding dann nicht zu bunt, zu groß, zu auffällig vorkommt. Aber angesichts der jedes Jahr steigenden Heizkosten wird der Takoma-Cardigan zumindest als zusätzliche Strickjacke für zuhause seine Berechtigung haben.

Viele weitere laufende Strickprojekte in Chrissies Blog.

Mittwoch, 30. Juli 2014

Stoffspielerei im Juli: Sashiko (und andere Stickereien)


Japanische Sashiko-Stickereien hatte frifris als Thema der Stoffspielerei vorgeschlagen und in ihrer Ankündigung gleich ein paar Links zu Anleitungen und Musterbeispielen gepostet. Grob gesagt ist Sashiko eine Stickerei mit einem einfachen Vorstich, ursprünglich durch mehrere Stofflagen, die auf diese Weise zusammengehalten und stabilisiert wurden. "Einfach" trifft es aber nicht ganz: der verwendete Stickstich ist tatsächlich nicht kompliziert auszuführen, aber wie so oft bei japanischen Handarbeiten kommt es umso mehr auf Präzision und Gleichmäßigkeit an.

Ich dachte zuerst daran, die Technik mit etwas anderen Materialien als üblich umzusetzen, also einen dünnen, transparenten Baumwollvoile mit relativ dickem Baumwollhäkelgarn zu besticken. Sagen wir mal so: das kann man schon machen, es handelt sich dann aber nicht um Sashiko. Auf der Suche nach einem anderen Projekt fiel mir ein noch nicht fertiger Schal in die Hände, vermutlich von 2009, ich erinnere mich nicht genau. Ich hatte damals verschiedene weiße und blau-weiß-blasse Stoffe, Leinen, Stickerei und Hemdenstoffe zu seinem Streifen zusammengesetzt und bestickt, der Streifen sollte mit einem anderen dünnen, hellen Stoff gefüttert werden. Die alten Stickereien zeige ich weiter unten - ehrlich gesagt weiß ich gar nicht mehr, was ich mir dabei gedacht hatte. Pastell? Häkelblumen? Spitze? War ich das wirklich?



Aber zunächst zu meinem Sashiko-Versuch. Die Mustervorlage zeichnete ich mit dem Bügelmusterstift von Prym auf Butterbrotpapier durch und bügelte die Zeichnung auf die Rückseite des Stoffes. Der Bügelmusterstift sieht so aus wie ein Bleistift, die abgebügelten Linien sind blau und zerfließen etwas. Das Bügeleisen muss wirklich knallheiß sein, damit es funktioniert, daher ist die Methode nur für Naturfasern geeignet. Ich traute mich nicht, die Zeichnung auf die Vorderseite aufzubügeln, auch wenn sich der Stift meistens ganz gut auswaschen lässt. Der Stickerei wäre eine Vorzeichnung auf der Vorderseite auf jeden Fall sehr zugute gekommen - wie die anderen Sashikostickerinnen auch anmerkten, erfordert es ständiges Umdenken beim Sticken, wenn man von der Rückseite stickt, das fand ich ziemlich anstrengend, und das Ergebnis ist nur teilweise gut geworden.  


Die Aussparungen an den Kreuzungen in der Mitte der Motive sind aus Übervorsichtigkeit zum Teil arg groß geworden, zum Teil etwas verrutscht. Der Untergund ist ein grob gewebtes, leicht transparentes Leinen, gestickt habe ich mit Sticktwist dreifädig.


Hier sieht man die Rückseite - beim Sticken zerflossen die übertragenen Linien immer mehr, was möglicherweise mit den tropischen Temperaturen in letzter Zeit und der hohen Luftfeuchtigkeit zusammenhängt, es wurde jedenfalls zum Ende hin immer schwieriger, den genauen Linienverlauf auszumachen. Da Präzision für die Wirkung immens wichtig ist, würde ich die Sache beim nächsten Mal anders angehen und zum Beispiel ein auswaschbares Vlies verwenden und von der Vorderseite sticken, wie es ste vorgeschlagen hatte, als wir hier über das Übertragen von Stickmustern diskutierten. Bei anderen Stickereien ist es oft von Vorteil oder zumindest nicht von Nachteil, wenn man nur einen ungefähren Umriss hat, den man unbekümmert ausfüllt - hier nicht. 

Die anderen Stickereien möchte ich euch nicht vorenthalten, als da wären:


Selbstgemachte Shisha-Spiegel wie aus Indien. Die "Spiegel" wurden aus alten CDs geschnitten, nachdem ich längere Zeit erfolglos versucht hatte, große, flache silberne Pailletten als Einlage aufzutreiben. Die Methode des Umstickens ist an sich einfach, wenn man weiß, wie es geht - das hatte mich damals sehr begeistert.


Unregelmäßige Kreise im Kettstich gestickt - darin erkenne ich mich wieder.


An diese Blüten- oder Beerenzweige im Kettstich kann ich mich hingegen überhaupt nicht erinnern. Ich zweifele, ob ich den Schal jemals fertigstellen werde - und ob die Flecken überhaupt noch rausgehen, die das Teil in seiner langen Karriere aufgesammelt hat.

Die Sashiko-Stickereien vom Juli hat frifris hier gesammelt, und wie sie schon ankündigte ist das August-Thema "Weben" hier bei mir im Blog - dazu schreibe ich aber demnächst noch etwas.  

Dienstag, 22. Juli 2014

Dirndl-Sewalong I: Inspiration


Wenn mir jemand vor einem halben, dreiviertel Jahr gesagt hätte, dass ich einmal bei einem Dirndl-Sew-along mitmachen würde, ich hätte gelacht. Dirndl, das ist Bayern, das ist München, und auf jeden Fall nichts, mit dem sich ein geborenes Nordlicht identifiziert, dachte ich. Aber da ich ja schon eine Weile von dem geplanten Sew-along wusste, konnte ich das Thema schon etwas länger im Kopf hin- und herwälzen, über die Tracht meiner Heimatregion nachdenken und meine Vorurteile überprüfen. Ich finde es übrigens sehr interessant, dass es nicht nur mir so geht - in den bisher gesammelten Beiträgen schreiben fast alle Teilnehmerinnen gleichzeitig auch über ihr Verhältnis zur Tracht oder zum Dirndl. Ein Dirndl ist mehr als ein x-beliebiges Kleidungsstück, es fordert offenbar zu einer Haltung heraus, und wer nicht ganz selbstverständlich in einem Dirndl-Gebiet damit aufgewachsen ist, muss sich in irgend einer Weise daran abarbeiten.  

Wie Julia im Eröffnungsbeitrag schon schrieb, veränderten sich Dirndl und Trachten immer wieder und passten sich an die Zeiten an. Wikipedia formuliert es drastischer: "Das heute bekannte Dirndl wurde zwar durch regionale Trachten geprägt, hat aber keinen bestimmten regionalen Bezug." So, wie der Adel des 18. Jahrhunderts im Schäferkostüm Landleben spielte, schaffte sich das Bürgertum im 19. Jahrhundert ein ländliches Kleid für die Sommerfrische im Voralpenland an. Über  Authentizität muss man beim Dirndl daher nicht sprechen - und das kommt mir sehr entgegen, denn ich nehme diesen Entstehungszusammenhang als Freifahrtschein, um mir aus den Elementen des Dirndls etwas zusammenzustellen, das zu mir und zu meinen Lebensumständen passt.

Ich bin also in mich gegangen, habe Schnittmusterhefte und Pinterest durchgeblättert und meine Stoffvorräte umgeschichtet. Wie müsste mein preußisches Großstadtdirndl aussehen? Was ziehe ich an, was reizt mich von der nähtechnischen Seite her? Was gefällt mir an den herkömmlichen Dirndln gar nicht? Bei Pinterest fand ich nur sehr, sehr wenig, was meinen Vorstellungen auch nur nahekommt: Für mich müsste es noch schlichter sein. Dunkel und schlicht, ohne oder fast ohne Verzierungen. Dirndlblusen, also diese typischen, romantisch mit Puffärmeln und Spitze, sehe ich auch überhaupt nicht in meinem Leben, es sei denn, ich müsste aufgrund widriger Umstände im Berliner Hofbräuhaus als Kellnerin anheuern, was ich nicht hoffe. Bei Frau Vau war aber kürzlich zu sehen, dass ein Dirndlmieder mit Hemdbluse darunter auch ganz ausgezeichnet funktioniert.  


Die Schnittmusterbibliothek gab auch nicht allzu viel her: in Burdastyle 9/2011 gab es Dirndlschnittmuster, unter anderem das Mieder oben, das sich als Schnittgrundlage eignen könnte. In Heft 9/2009 wurde eine Strecke mit trachtig angehauchten Schnitten gezeigt, daraus hat mir auch einiges gefallen.

Der Nähplan sieht bisher also folgendermaßen aus:

- ich möchte einen Zweiteiler nähen, also ein Mieder und einen Rock, die gemeinsam, aber auch mit nicht-trachtigen Kleidungsstücken angezogen werden können
- den Rock möchte ich stifteln, also die typischen Stehfalten oder gezügelten Falten einarbeiten
- die himbeerfarbene Bluse sollte dazu passen, auf lange Sicht möchte ich mir aber sowieso auch noch eine weiße Bluse nähen, das passiert aber möglicherweise nicht mehr im Rahmen dieses Sew-alongs
- die Schürze gehört traditionellerweise zum Dirndl dazu, ist aber auch das Element, wodurch das Dirndl meiner Meinung nach zur Verkleidung wird. Darüber wird es noch einen ausführlichen Post geben, wenn wir soweit sind. Mir schwebt vor, die Schürze so zu adaptieren, dass sie funktional ist, also nicht nur eine dekorative Stoffbahn, sondern so ausgestattet, dass es einen Sinn ergibt, sie zu tragen.

Konkreter hinsichtlich Stoff und Schnitt wird das dann beim nächsten Termin am 30. 7., einstweilen finden sich alle Beiträge zum Dirndl-Sew-along hier.

Samstag, 19. Juli 2014

Wochenrückblick

Hallo aus dem tropischen Berlin! Ich hatte in letzter Zeit viel um die Ohren, daher gab es eine Weile keine Wochenrückblicke und keine Linktipps.

Die Bilder sind auch schon vom Anfang des Monats: So sieht der Fernsehturm vom Klunkerkranich aus, der Dachgartenbar auf dem obersten Parkdeck der Neukölln Arkaden, eines Einkaufszentrums am Rathaus Neukölln. Morgens zum Frühstücken (wenn man einen der beiden Tische im Schatten kapern kann) oder abends ein prima Ort, um Besuch mit einem grandiosen Blick über die Stadt zu beeindrucken. Tagsüber gibt es dachgartentypisch nicht das kleinste bißchen Schatten, was möglicherweise den Vorteil hat, dass der Kaffee niemals kalt wird. 

Die Baumscheibe vor dem Haus hat sich prächtig entwickelt - so prächtig, dass mich Nachbarn fragten, welchen Geheimdünger ich verwende. Die Stockrosen hatte ich vor ein paar Jahren aus gesammelten Samen aus dem Schlosspark Sacrow selbst gezogen, die Farben waren daher eine Überraschung, der ich seit Wochen entgegenfieberte. 

Neues vom deutschen Sewing Bee



Und wer schaute mich an, als ich vor gut einer Woche die Berliner Zeitung aufschlug? Der Designer Guido Maria Kretschmer (Shopping Queen) plauderte im Interview über seine Nähanfänge mit gefärbten Bettlaken und ich dachte beim Lesen: meine Güte, er ist einer von uns! Er ist ein Nähnerd! Und es ist wohl nicht zuviel spekuliert, dass Kretschmer an der deutschen Version des Great British Sewing Bee beteiligt sein wird. Auf die Frage nach einer neuen Fernsehshow, in der es um individuell passende Kleidung gehen könnte, antwortete er: 

So etwas wird kommen, ich habe ein wunderschönes Angebot von meinem Sender. Auch deswegen bin ich heute froh, dass ich den Schritt ins Fernsehen gewagt habe. Viele haben damals gesagt: Guido, wie kannst du nur! Aber ich will Leute erreichen. Es ist Democratic Couture, wenn man etwas selber machen kann. [...] Selbermachen zeigt, was Mode kann.

Der letzte Satz - "Selbermachen zeigt, was Mode kann" - ist ja schon fast ein Kalenderspruch zum Nachsticken und über-die-Nähmaschine-Hängen. Warten wir also ab, was das Privatfernsehen, vermutlich ja also Vox, aus dem britischen Format macht.

Bis zum Sendestart könnte man noch das eine oder andere nähen. Zum Beispiel einen einfachen ausgestellten Rock mit dem kostenlosen Downloadschnittmuster von tessuti fabrics aus Australien. Oder den neuen Schnitt von Grainline Studios aus Chicago: Alder ist ein lockeres, ärmelloses Hemdkleid mit einem vorne kürzeren, hinten längeren Saum, einem Detail, das mir zur Zeit besonders gefällt.  

Brauchen Selbermacherinnen in großen Größen ihr eigenes Biotop? Auf den ersten Blick hätte ich da so meine Zweifel, denn Nähtechniken sind unabhängig von der Kleidergröße. Das Curvy Sewing Collective gefällt mir aber trotzdem außerordentlich gut. In dem Gemeinschaftsprojekt von sieben Nähbloggerinnen gibt es Schnittmusterbesprechungen, Tipps für Schnittänderungen, Anleitungen fürs Gradieren von Schnitten über die angebotenen Größen hinaus und bald auch Sew-alongs. "When a woman makes something she loves that fits her body impeccably, self-confidence shines through", schreiben die Initiatorinnen. Es geht nicht um "kaschierende" Zelte für Dicke, es geht darum, gut passende schöne und persönliche Kleidung unabhängig von der Kleidergröße herzustellen. Die Seite ist sehr inspirierend und sicher eine gute Starthilfe für Selbermacherinnen, denen bisher noch der Mut und die Mittel fehlten, die tollen Schnitte, die man von den Nähbloggerinnen mit Standardfigur kennt, für sich zu adaptieren. Selbermachen zeigt, was Mode kann - Guido sagte es ja schon.

Freitag, 11. Juli 2014

Stoffwechsel: Das Kleid

Endlich, endlich, endlich: hier ist mein Kleid aus der Stoffwechsel-Aktion. Ich wollte euch nicht so lange auf die Folter spannen, nur schwankte hier das Wetter die letzte Tage zwischen kurz vor Naturkatastrophe und Wolkenbruch mit entsprechend schlechtem Licht, und schlechte Fotos haben meine Stoffpatin und dieses Kleid wahrlich nicht verdient.


Als ich den Stoff auspackte, den meine zugeloste Partnerin für mich besorgt hatte, war ich ja gleich ziemlich begeistert, um nicht zu sagen: sehr begeistert. Da hatte sich jemand sehr genau Gedanken gemacht, was ich anziehe und was nicht, und auch wenn ich mir vor der Aktion fest vorgenommen hatte, mich wirklich darauf einzulassen und ohne Murren alles zu vernähen, was mir vorgesetzt werden würde, ist es natürlich viel schöner, einen wirklich tollen Stoff zu verarbeiten!

Andererseits wirft ein wirklich toller Stoff wieder neue Probleme auf: Stoffe dieser Kategorie lagern bei mir in der Regel erstmal zwei bis drei Jahre ab, ehe sie angeschnitten werden. Manchmal geht es mir auch wie drehumdiebolzen, dass ich etwas länger brauche, ehe ich das Kleidungsstück in einem Stoff "sehe".


Hier aber hatte ich wiederum Glück, denn das Kleid, das ich haben wollte, entstand schon nach kurzer Zeit vor meinem inneren Auge. Den Schnitt bastelte ich mir aus zwei älteren Burdastyle-Schnittmustern und dem Anna-Kleid von by hand London zusammen, hier findet man die Details.

Nach dem Probeteil ergaben sich noch ein paar kleine Änderungen, ich vertiefte die Abnäher im Rückenteil und die Falten im Vorderteil noch ein bißchen und kürzte das Oberteil ein wenig, so dass die Taille etwas höher rutschte.


Das Anschneiden des Stoffes war dann wieder etwas nervositätsbelastet, das Nähen beim letzten Nähkränzchen aber ein reines Vergnügen, weil sich der Stoff auch sehr gut verarbeiten ließ. An den Tascheneingriffen verläuft eine selbstgemachte Paspel (sieht man leider kaum auf den Bildern), die Armausschnitte sind mit dem gleichen selbst gemachten Schrägband eingefasst, aber so, dass auf der Außenseite eine schmale rote Einfassung sichtbar bleibt. Also quasi wie eine Paspel, aber ohne die Schnureinlage, durch die der Ärmelsaum zu steif werden würde.


Die Knöpfe hatte ich zufällig noch zuhause, die hatte ich mal auf Verdacht auf dem Markt gekauft, und dass sie hier passen ist auch ein kleines Wunder - wann bitte passen "einfach so" gekaufte Knöpfe denn einmal tatsächlich zu einem Nähprojekt? Gutes Karma!


Ob die Länge so bleibt, weiß ich noch nicht. Da die Idee auf einem Kleid der 40er Jahre basiert, dachte ich, ich probiere diese Länge einfach mal aus, kürzen geht ja später immer noch. Aber ehrlich gesagt finde ich die Länge an mir schrecklich bieder - oder ist es nur ungewohnt? Sagt mal was!

Bleibt nur noch die Frage: wer ist meine Stoffpatin? Ich habe ehrlich gesagt immer noch keine Ahnung. Meine tolle Tabelle, in der ich wer-mit-wem getippt hatte, ist nach einigen für mich überraschenden Outings vollkommen durcheinander gekommen. Der Absendeort des Begleitbriefes war Mannheim, aber das könnte ja auch ein raffinierter Trick sein! Also, ich weiß es nicht. Monika fragte vor ein paar Tagen nach dem Kleid mit der Bemerkung, sie wisse, wer meine Stoffpatin sei - und wenn ich so überlege, mit wem Monika korrespondiert, käme vielleicht Alle Wünsche werden wahr in Betracht. Das ist aber nur eine Vermutung, die ich nicht mit Indizien belegen kann. Wer es auch war: vielen Dank für diesen wunderbaren Stoff! Und vielen Dank Siebenhundertsachen für das Ausdenken und Betreuen dieser wunderbaren Aktion. Alle Teilnehmerinnen werden hier gesammelt, ich habe mir noch gar nicht alles angeguckt, was ich heute Abend endlich nachholen werde.

Sonntag, 6. Juli 2014

Getrödelt, gefunden, gefreut: Ein Trachtenalbum zum Dirndl-Sewalong


Das Beswingte Fräulein sammelt an jedem Ersten im Monat schöne Flohmarktfundstücke, eine Sammlung in die ich immer gerne hineinschaue. Ich bin ja nicht so eine Flohmarktgängerin. Die Touristen, die zu uns kommen, wollen nämlich alle trödeln und Secondhandklamotten kaufen, weil in den Reiseführern steht, dass man das in Berlin so macht, was in den Trendbezirken der Hauptstadt die Flohmarktpreise ziemlich in die Höhe getrieben hat. Die Flohmärkte in, sagen wir, Zehlendorf oder Steglitz habe ich noch nicht erkundet, und außerdem brauche ich ja eigentlich sowieso nichts. Also besser gar nicht erst gucken!

An diesem Album konnte ich dann aber doch nicht vorbeigehen. Ein Antiquariat in der Nähe des S-Bahnhofs Charlottenburg hatte eine ganze Kiste Sammelalben vor der Tür stehen, und ich blätterte durch die Schönheiten des Berliner Presseballs 1927, durch Bilder von berühmten Fußballern, Schachspielern, Jockeys, durch Zimmerpflanzen, Indianer und die Caracallathermen. Die meisten Alben boten so eine wilde Mischung aus Gesellschaftsklatsch, Natur und Kultur - ja, auch Thomas Mann war einmal auf Sammelbildchen abgebildet - aber dieses monothematische Heft mit Trachtenbildern nahm ich dann mit, weil ich an Julias Dirndl-und-Tracht-Sewalong dachte, der am übernächsten Mittwoch beginnt - Programm und Zeitplan findet man hier.    


Etwas Nachrecherche im Netz hat ergeben, dass das Album vermutlich von 1931 stammt und dass ich mit 4€ wenig dafür bezahlt habe. Die Trachtenbildchen im Format 4x6 cm sind nach Regionen geordnet. Ich habe hier mal ein paar Bilder mit persönlichem Bezug herausgepickt.


Die Oberbayrische Tracht  und die Tracht vom Starnberger See gelten im allgemeinen als Vorbilder für die heutigen Dirndl. Bei den gezeichneten Trachten wird ein großes Schultertuch zu Bluse und Mieder getragen. Das Riesendekollete der typischen Oktoberfestdirndl muss eine Erfindung der Fußballerfrauen des FC Bayern sein.


Die fränkische Bauersfrau trägt eine doppelreihig geknöpfte Jacke aus schwarzem Samt mit eckigem Ausschnitt zu Rock und Schürze. "Fränkische Tracht" ist allerdings vollkommen unpräzise, schließlich ist Franken groß, teils katholisch, teils evangelisch, besteht heute aus drei Regierungsbezirken und bestand bis ins frühe 19. Jahrhundert aus etlichen Kleinstaaten. Für die mittelfränkische Tracht gibt es eine Trachtenforschungs- und Beratungsstelle, über die historische Schnittmuster bezogen werden können.


Mit der Vierländer Tracht kommen wir zu meiner Vergangenheit - ich bin nämlich im Hamburger Elbvorland hinterm Deich aufgewachsen. Meine Eltern stammten aber beide nicht aus der Gegend, so dass wir als "Zugereiste" im Vereinsleben nicht so richtig integriert waren. Wie gerne hätte ich als Grundschulkind auch bei der Vierländer Trachtengruppe mitgetanzt, wie fast alle meine Schulfreundinnen! Meine Mutter stand dieser Idee aber nicht aufgeschlossen gegenüber und entschied, bei so einer "Trampeltanzgruppe" dürfe ich auf keinen Fall mitmachen. Ich habe also ein kleines Trachtentrauma aufzuarbeiten (fast so schlimm, wie die Geschichte mit der lila Teddyplüschjacke...), aber aus heutiger Sicht verstehe ich sie: man flüchtet ja nicht aus der Kleinstadt und vor der Vereinsmeierei der Verwandten nach Hamburg, damit das Kind sich dann dort einem Trachtenverein anschließt, mit allen Pflichten, die besonders für Mütter damit verbunden sind. Und meine Mutter war nie der Typ, der sich um den Kuchenstand kümmert.    


Die Vierländer Tracht mit dem charakteristischen Strohhut und der steifen schwarzen Schleife wurde übrigens schon um 1900 von den Vierländer Bauern als Markenzeichen für die besondere Qualität des Vierländer Gemüses aufgebaut, die Bäuerinnen trugen sie auf dem Gemüsegroßmarkt und beim Direktverkauf in Hamburg. In den frühen Achtzigern tauchte die Vierländer Tracht dann in der Rama-Reklame wieder auf - vielleicht erinnert sich jemand?

Jetzt bin ich doch wieder ins Erzählen reingekommen, obwohl ich eigentlich nur schnell meinen Trödelfund vorstellen und auf Getrödelt - Gefunden - Gefreut beim Beswingten Fräulein hinweisen wollte. Sie stellt in diesem Monat ein ganz entzückendes Buch übers Modezeichnen aus den 50er Jahren vor.

Donnerstag, 3. Juli 2014

Stoffspielerei: ein Nachtrag zum Thema Monogramme oder: wie bekommt man die Vorlage auf den Stoff? Eine Methode von 1912

Bei der Stoffspielerei im Juni ging es um Monogramme. Suschna hatte am Sonntag die Beiträge gesammelt und von ihren Schwierigkeiten berichtet, die Motive als Vorzeichnung zum Aussticken auf den Stoff zu bringen und außerdem verschiedene Übertragungsmethoden getestet. Wie die alten Monogramm-Kupferschablonen benutzt werden, die man oft noch auf Flohmärkten findet, blieb zum Beispiel rätselhaft - Karen wird bald noch etwas zu den geheimnisvollen blauen Tuschesteinen schreiben, die manchmal bei diesen Schablonen dabei sind, darauf bin ich sehr gespannt.

In dem Buch Ich kann Handarbeiten von Mizi Donner und Carl Schnebel von 1912 (gibt es günstig als Nachdruck und eine Menge Seiten kann man hier ansehen) widmet sich ein ganzes Kapitel der Musterübertragung.Es werden verschiedene Methoden beschrieben, die eines gemeinsam haben: sie dauern. Wir denken ja heute, das Übertragen müsste mit irgendwelchen Spezialstiften ruckzuck gehen, schließlich ist das ja nur die Vorarbeit, und die eigentliche Arbeit, das Sticken, kommt erst noch. Tatsächlich aber muss man sich wohl an den Gedanken gewühnen, dass es die eine, immer funktionierende, einfache und schnelle Übertragungsmethode auch heute nicht gibt, und dass Vorarbeiten einfach ihre Zeit brauchen.

Ich habe mir mal eine Methode, das "Pausen mittels Durchstechen" herausgepickt, die ist zwar auch nicht unaufwendig, hat aber den Vorteil, dass die meisten Materialien im (Schneider-)Haushalt vorhanden sein dürften oder leicht überall besorgt werden können.


Beim "Pausen mittels Durchstechen" wird das auf Papier durchgezeichnete Muster auf eine weiche Unterlage gelegt und die Musterlinien werden mit einer Nadel "so dicht, wie es das Papier ohne zu zerreißen erlaubt" durchstochen. Die Unebenheiten auf der Rückseite des Papiers sollen mit Bimsstein oder ganz feinem Schleifpapier geglättet werden - hier bin ich mir nicht sicher, ob das praktikabel oder überhaupt nötig ist.  Man erhält so eine Papierschablone, bei der die kleinen Löcher die Konturen des Musters nachzeichnen.

Diese Schablone wird nun auf den aufgepannten Stoff gesteckt. Nun soll mit einem "Durchreiber" aus Stoff "Pauspulver" durch die Löcher der Schablone getrieben werden. Der Durchreiber ist das Gebilde, das oben im Bild zu sehen ist - ein "gerade geschnittener, etwa 6 cm breiter zu 70 cm langer Tuchstreifen", ein Flanell- oder Filzstreifen, der fest zusammengerollt und in der Mitte mit einem Faden umwickelt wird.

Als Pauspulver erwähnen Donner/Schnebel verschiedene Substanzen: dunkles Pauspulver für helle Stoffe, und zwar "pulverisierten Graphit, Blaupulver oder pulverisierte Zeichenkohle" oder helles Pulver für dunkle Stoffe, und zwar "pulverisierte Kreide oder helles Kraftmehl". Dieses Kraftmehl ebenso wie das Blaupulver seien "in Drogengeschäften, die Farbwaren führen" erhältlich.

Graphitpulver, quasi zerriebene Bleistiftminen, gibt es heutzutage als Schmiermittel für Türangeln im Baumarkt, Zeichenkohle im Künstlerbedarf, man müsste lediglich eine gute Methode finden, sie zu Pulver zu zermahlen. Möglicherweise könnte eine Küchenmaschine mit Messereinsatz nützlich sein? Blaupulver ist ein enger Verwandter der organischen Verbindungen, die auch bei der Cyanotypie für die blaue Farbe sorgen, und ich würde nicht ausschließen, dass man diese Substanz im sehr spezialisierten Farbenhandel immer noch bekommen kann - das nur der Vollständigkeit halber. Pulverisierte Tafel- oder Schneiderkreide: nichts leichter als das.

Nur das "helle Kraftmehl" gibt mir Rätsel auf: im 19. Jahrhundert wurde Getreidestärke auch als Kraftmehl bezeichnet, aber darum kann es sich hier ja kaum handeln, wenn man es in der Drogerie kaufen musste. Die Bezeichnung "helles Kraftmehl" deutet außerdem darauf hin, es könnte auch dunkles Kraftmehl gegeben haben. Weiß jemand mehr?

Die Anleitung geht dann auf das Nachzeichnen der so durchgeriebenen Punkte ein - das ist, so weit ich das verstehe, für Stickereiarbeiten wie Gobelins und Bunstickerei auf Wollstoffen oder Samt relevant, wenn die Vorzeichnung durch die Stickerei komplett bedeckt wird, so dass hier auch nicht-auswaschbare Farben verwendet werden können.  

Bei der Stickerei auf weißen, waschbaren Stoffen müssen die Punkte nicht nachgezogen werden, schreiben die Autoren. Die durchgeriebenen Punkte werden aber fixiert: mit "Spiritus, dem ein geringes Quantum verdünnter Schellack" zugesetzt wird" (Verhältnis 1:5). Das Fixativ wird mit einem Zerstäuber aufgesprüht.

Spiritus ist nichts anderes als vergällter Alkohol, Schellack ein organischer, nicht wasserfester, aber in Alkohol löslicher Lack, der unter anderem für Möbel verwendet wurde. Vielleicht durch Haarspray ersetzbar? Ich werde das bei meinem nächsten Stickprojekt (das im Kopf schon durchgeplant ist) ausprobieren.   

Nachtrag 5. 7. 2014: 

Unbedingt auch lesen: Teresa wirft den Begriff Wäscheblau in den Ring und zeigt in ihrem Blog Monogramme, Schablonen und Übertragungswerkzeuge.

Bei Wäscheblau handelt es sich um bestimmte, gut auswaschbare Blaupigmente, die mit Stärke oder Traubenzucker gestreckt wurden - möglicherweise bestehen daraus auch die Tuschesteine der Monogrammschablonen?

In den Kommentaren hier sind viele weitere Tipps zum Übertragen von Stickvorlagen zu lesen - herzlichen Dank an alle für die lebhafte Diskussion!